Die Stimmung sei "super" gewesen, erzählen mehrere Grüne, alles "extrem harmonisch" abgelaufen. Am Tag nach dem grünen Bundeskongress im Linzer Design-Center fielen gegenüber Journalisten dann aber doch noch ein paar offene Worte – wenn auch nur hinter vorgehaltener Hand: Die erstmalige Zusammenkunft der Delegierten seit dem Regierungseintritt der Öko-Partei sei freilich "eine reine Selbstbejubelungsveranstaltung" und "eine absolute Propagandapartie" in eigener Sache gewesen, räumt ein Parteimitglied ein. Den meisten Anwesenden im Saal sei das Kalkül rund um den Megaevent am Wochenende auch klar gewesen: "Wir müssen alles tun, um nicht als die grünen Chaoten in der Koalition dazustehen. Die ÖVP steckt in der Krise, und nicht wir."

Die von Grünen-Chef Werner Kogler gepushte Statutenreform muss nun noch einmal überarbeitet werden.
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Völlig reibungslos lief der sogenannte "Buko" dann trotzdem nicht ab. Obwohl Vizekanzler und Grünen-Chef Werner Kogler die Stimmberechtigten mit flapsigen Sprüchen ("Regieren ist nichts für Lulus!"), aber auch alten Plattitüden ("Besser die Richtigen Regieren als die Falschen!") strikt auf Koalitionskurs mit der in juristische Troubles geratenen Kanzlerpartei halten konnte, kam es zu unübersehbaren Schnitzern.

Ausgerechnet als Transparenzpartei wollte man die Medien zunächst von der grünen Diskussion samt Abstimmung über ihre diversen Anträge fernhalten – im Vorfeld war gemunkelt worden, dass die Wiener Landespartei ein Dringlichkeitsbegehren einreichen könnte, das bei Anklage gegen ein Regierungsmitglied – gemeint waren freilich Kurz, Blümel und Co – ein Aus der Koalition vorsieht. Erst nach Protest der geladenen Presse und einigem Hin und Her sorgte man doch für deren Einlass. Das eigentlich dicke Ende kam dann erst bei der von Kogler selbst anvisierten Statutenänderung.

Nichts zu verbergen

Man fragt sich: Färbt die Koalition mit der ÖVP womöglich auf die Grünen ab? Zur drohenden, aber dann doch noch abgewendeten Message-Control in Linz sagt die grüne Mediensprecherin Eva Blimlinger: "Wir haben uns eines Besseren besonnen – und das ist gut so." Statutenänderungen seien immer heikel, wirbt sie um Verständnis, besonders in einer basisdemokratischen Partei. Alle anderen würden das daher hinter verschlossen Türen abhandeln. Dass die Kiebitze dann doch beim unangenehmsten Tagesordnungspunkt dabei sein durften, erklärt sie in Anspielung auf die Kanzlerpartei so: "Wir haben nichts zu verbergen – und brauchen daher auch keine Medien kontrollieren."

Bis spät in die Nacht soll die grüne Bundesspitze am Samstag allerdings in einem Linzer Hotel noch an dem heiklen Leitantrag gefeilt haben, mit dem die Urwahl des grünen Parteichefs und mehr Mitsprache für ihn bei der Listenerstellung eingeführt worden wären. Angedacht war konkret, dass künftig alle 7000 Mitglieder der Landesparteien per Urabstimmung den Bundessprecher wählen dürften und nicht wie bisher nur die rund 280 Delegierten des Bundeskongresses. Gleichzeitig hätten Parteichef oder Parteichefin dann aber auch zwei wählbare Listenplätze nach eigenem Gutdünken besetzen können – ohne Basisabstimmung.

Überarbeitung steht an

Unter der Federführung des Vorarlberger Grünen-Chefs Johannes Rauch und vor allem auf Wunsch von Parteichef Kogler war über Monate an einer mehrheitsfähigen Änderung der Statuten gearbeitet worden. Doch bereits vor der offiziellen Abstimmung war klar, dass es nicht gelungen ist, Kritiker etwa aus den Landesorganisationen Niederösterreich und Wien rechtzeitig auf Linie zu bringen. "Das wurde im Vorfeld intern zu schlecht kommuniziert", glaubt ein Grüner.

Beim Bundeskongress am Sonntag erhielt der Antrag dann nicht die nötige Zweidrittelmehrheit, sondern nur 62,7 Prozent der Delegiertenstimmen. Er wird nun überarbeitet.

Änderung nicht notwendig

Auf grüner Ebene in Niederösterreich zeigt man sich am Tag nach der parteiinternen Abfuhr betont gelassen: Landessprecherin Helga Krimser erachtet eine Statutenänderung als nicht notwendig. Wir wollen über den Bundessprecher und die Kandidaten entscheiden." Die Diskussion darüber sei aber unspektakulär: "Die Außenwirkung ist offensichtlich größer, als es die Innenansicht beim Bundeskongress war."

Bei den Wiener Grünen wollte man die Causa offiziell nicht kommentieren. Es habe sich um eine basisdemokratische Abstimmung gehandelt, und es hätten auch nicht alle Wiener Grüne gegen den Antrag gestimmt, hieß es am Montag.

Die Wiener Grünen werden am Samstag ihre Landesversammlung abhalten. Bei dem Online-Event ist ebenfalls eine Statutenänderung vorgesehen – wenn auch vermutlich eine weniger umstrittene. Mit der Änderung wird eine Doppelspitze bei der Parteiführung ermöglicht – im Gespräch dafür sind die beiden nicht amtsführenden grünen Stadträte Judith Pühringer und Peter Kraus, die sich als Duo bewerben sollen. (Katharina Mittelstaedt, Markus Rohrhofer, Nina Weißensteiner, 15.6.2021)