Sind teurere Flüge nach Malle gerechtfertigt? In der Klimaschutzdebatte dominiert häufig das Kostenargument.

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Es war ein knappes Rennen, an dem Ergebnis ist dennoch nicht zu rütteln: In einer Volksabstimmung am Sonntag lehnte die Mehrheit der Schweizer ein neues Klimagesetz ab. Rund 51,6 Prozent stimmten gegen die Pläne, die unter anderem vorsahen, dass der Treibhausgasausstoß im Land bis 2030 im Vergleich zu 1990 halbiert und klimaschädliches Verhalten höher bepreist wird.

Die Vorschläge stießen in der Schweiz von Anfang an auf viel Ablehnung: "Nutzlos, teuer, ungerecht" – mit diesem Slogan warb etwa das Wirtschaftskomitee gegen das "missratene Gesetz". Die Schweizer Volkspartei warnte davor, dass mittlere und untere Einkommen belastet, Tanken, Wohnen und Reisen teurer würden. Und auch bei Klimaschutzaktivisten stieß das Gesetz auf Ablehnung, allerdings weil der Vorschlag ihnen zu lasch war.

Trotz der lauten Kritik kam das Nein für viele Beobachter überraschend. Immerhin hatten Umfragen in den vergangenen Wochen gezeigt, dass die Mehrheit der Schweizer das Gesetz unterstütze. Doch offensichtlich setzte sich ein Argument durch, das rigiderer Umweltpolitik häufig im Weg steht: Klimaschutz ist teuer und führt zu Wohlstandsverlusten.

Praktisches Narrativ

Für jene, die höhere Klimavorgaben verhindern wollen, kommt das Narrativ gelegen: Wer greift schon gern tiefer ins Börserl? Doch das Kostenargument allein ist verkürzt, wie auch das Schweizer Beispiel zeigt. Zwar wäre klimaschädliches Verhalten teurer geworden; geplant war aber auch, die Hälfte der Einnahmen wieder rückzuverteilen und die andere Hälfte in einen Klimafonds zu stecken.

Darüber hinaus werden Kosten ignoriert, die ein Nichthandeln mit sich bringen: Je länger im Klimaschutz nichts getan wird, umso teurer werden die Folgekosten, haben wissenschaftliche Studien wiederholt belegt.

In Deutschland wird derzeit über höhere Flugpreise diskutiert.
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Auch in Deutschland ist der Klimaschutz derzeit Thema. Die Grünen schlagen eine Erhöhung der CO2-Bepreisung vor, Kurzstreckenflüge sollen überflüssig werden. CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet hat wenig Freude mit den Vorschlägen. Auch er führte in einem Interview die Teuerung ins Treffen: "70 Euro mehr für einen Mallorca-Flug können sich Besserverdienende locker leisten, für so manche Familie aber kann das den Traum vom Sommerurlaub beenden."

Wie kann das hartnäckige Argument des Wohlstandsverlusts durch Klimaschutz aufgelöst werden? "Es ist notwendig, ein besseres Narrativ anzubieten", sagt der Klimaökonom Stefan Schleicher vom Wegener Center. In der Vergangenheit seien häufig zu simple Lösungen präsentiert worden, die zwar gutgemeint waren, oft aber nicht konsensfähig seien. Als Beispiel nennt er den CO2-Preis: "Etliche Vorschläge für eine Bepreisung von CO2 sind auch in Österreich schiefgelaufen, weil dazu kein Gesamtpaket vorgestellt wurde, das sehr attraktiv gestaltet werden könnte." Insgesamt werde zu wenig darüber gesprochen, wie Erträge zielführend verwendet werden könnten. Schleicher plädiert allerdings weniger für einen allgemeinen Ökobonus, sondern eine gezielte Rückverteilung.

Zu kurz gedachte Konzepte sieht Schleicher auch beim Erneuerbaren-Ausbau: Nicht so sehr die Finanzierung sei gegenwärtig das Problem, vielmehr stoße man in Österreich an die Grenzen für die Implementierung von Windkraft- oder Fotovoltaikanlagen.

Rauskommen aus der Wachstumsspirale

Für Ulrich Brand, Politikwissenschafter an der Uni Wien, geht es im Aufbrechen des Narrativs vor allem auch um ein "Rauskommen aus der Wachstumsspirale". Jene Lebensmodelle müssten allerdings erst neu gedacht werden, sagt der Experte. Gegner von ambitioniertem Klimaschutz hätten es daher relativ einfach, Ängste wachzurufen. Darüber hinaus sieht Brand ein Skalenproblem: Es sei schwierig, Gewohnheiten und Sichtweisen zu ändern, wenn man die Klimakrise im Alltag noch nicht so stark erfahren hat.

Nicht zuletzt sei, wie so oft, das Fristenproblem in der Politik schwierig: "Wer sozial ökologisch umbauen will, muss längerfristig planen." Politiker würden dafür aber häufig abgestraft werden, sagt Brand mit Verweis auf die Debatte um die Benzinsteuer in Deutschland. Und auch der Zynismus gegenüber dem Thema sei nicht zu unterschätzen, sagt der Experte: Viele Menschen würden sich schlichtweg nicht für den Klimaschutz interessieren. "Man will in der Unmündigkeit bleiben, damit man die Sau rauslassen kann."

Wie kann das Dilemma gelöst werden? "Informieren und aufklären", lautet die Antwort des Ökonomen Schleicher. "Die Politik muss vorangehen", sagt Brand. Wichtig sei, dass Menschen positive Klimaschutzerfahrungen machen können – etwa die Vorteile von weniger Autos in Städten erleben. Eine Moralisierung und Individualisierung sei hingegen kontraproduktiv: Seine Forschung hätte gezeigt, dass Menschen bereit wären mitzumachen, wenn Politiker ihnen klare Ansagen und Planungssicherheit kommunizieren würden. (Nora Laufer, 15.6.2021)