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Toi, toi, toi: Die Strafzölle gegen Airbus und gegen Boeing sind ausgesetzt. Das soll vorerst auch so bleiben.

Foto: Reuters / Yves Hermann

Washington/Brüssel – Die Turbulenzen sind vorüber: Europa und die USA haben einen Kompromiss im Streit über Airbus und Boeing erzielt. Damit entschärft sich ein Strang des transatlantischen Handelsstreits. Beim EU-USA-Gipfel in Brüssel am Dienstag einigten sich beide Seiten darauf, drohende gegenseitige Strafzölle für fünf Jahre auf Eis zu legen. Damit dürfte es genug Zeit geben, um den gegenseitigen Vorwurf der verbotenen Staatssubventionen für die Flugzeugbauer aus der Welt zu schaffen.

Ganze 17 Jahre hatte der Disput gedauert, der längste in der Geschichte der Welthandelsorganisation (WTO). Beide Seiten hatten sich vor deren Schiedsgericht wegen der jeweiligen Subventionen für die eigenen Konzerne verklagt und waren durch sämtliche Instanzen gezogen. Und beide bekamen recht. Die Staatshilfen verstoßen gegen internationales Handelsrecht.

Weil bei Airbus die beanstandeten Subventionen nicht vollends abgebaut worden sein, erlaubten Schlichter den USA im Oktober 2019, Strafzölle auf Waren im Wert von 7,5 Milliarden Dollar (heute rund 6,2 Milliarden Euro) pro Jahr zu erheben. Das ist die höchste Summe seit Gründung der WTO 1995.

Strafzölle querbeet

Die Suppe musste nicht nur die Flugzeugindustrie auslöffeln. Die USA erließen umgehend Zölle von bis zu 25 Prozent auf Käse, Butter, Wein, Komponenten für die Luftfahrtindustrie und andere europäische Produkte. Sie sollten vor allem Länder treffen, die hinter Airbus stehen: Deutschland, Frankreich, Spanien und Großbritannien. Die nunmehr aus der EU ausgeschiedenen Briten hoffen auf einen ähnlichen Deal mit den USA in naher Zukunft.

Ein Jahr nach dem Schiedsspruch in Sachen Airbus wurde der EU im Boeing-Fall recht gegeben: Weil US-Behörden die illegale Förderung für den Konzern nicht gänzlich einstellten, genehmigten WTO-Schlichter der EU Strafzölle auf US-Importe im Umfang von knapp vier Milliarden Dollar (heute rund 3,2 Milliarden Euro) pro Jahr.

Sogleich verhängte die EU Ausgleichszölle von bis zu 25 Prozent auf Flugzeugkomponenten sowie Agrar- und Industriewaren, etwa Bourbon und Motorräder, aus den USA. Konsumenten dürfen sich nun freuen, dass betroffene Waren auf beiden Seiten des Atlantiks günstiger bleiben dürften. Bereits im März waren die Zölle aufgehoben worden, um mit gutem Willen in die Verhandlungen zu treten.

Die Bedürfnisse der Wein- und Whiskeytrinker standen aber nicht im Mittelpunkt der Übereinkunft. Vielmehr geht es um die Konkurrenz aus China, wie US-Handelsbeauftragte Katherine Tai klarmachte: "Statt mit einem unserer engsten Verbündeten zu streiten, verbünden wir uns endlich gegen eine gemeinsame Bedrohung: Wir haben vereinbart, Chinas nichtmarktkonforme Praktiken in diesem Sektor mit einzelnen Maßnahmen zu kontern, die unsere Standards für fairen Wettbewerb einhalten." Das schließe Investitionen und Technologietransfer ein.

Stahlstreit köchelt weiter

Der Handelsstreit rund um die beiden größten Flugzeughersteller der Welt eskalierte zwar unter US-Präsident Donald Trump, das lag aber an den finalen Entscheidungen der WTO.

Im Widerspruch zum internationalen Handelsrecht stehen hingegen die Strafzölle auf Stahl und Aluminium, die Trump 2018 auch gegen die EU verhängt hatte. Sie belasten nach wie vor die Wirtschaftsbeziehungen. Auch da gibt es Anzeichen für Tauwetter. Die EU hatte im Vormonat darauf verzichtet, ihrerseits Strafzölle, die als Antwort gegen die USA verhängt worden waren, wie ursprünglich geplant zu erhöhen.

US-Präsident Biden steht jedoch unter Druck der Stahlindustrie, den Schutzwall aufrechtzuerhalten. Der jüngste Rohstoffboom könnte dem US-Präsidenten jedoch in die Hände spielen, um die Europäer zu besänftigen. Die US-Stahlindustrie streift derzeit hohe Profite ein, während Industrievertreter sich zuletzt in Washington beschwerten, dass die Produktionskosten durch den hohen Stahlpreis durch die Decke gehen. Biden hat außerdem mit seinen billionenschweren Ausbauplänen für die Infrastruktur sowie strikteren Vorgaben für Behörden, im Inland einzukaufen, den Stahlproduzenten unter die Arme gegriffen.

Immerhin stellte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen stellte am Dienstag auch baldige Fortschritte im Stahl- und Aluminiumstreit in Aussicht. Die USA wollen von Europa mehr Hilfe, um gegen chinesischen Billigstahl vorzugehen. Der Airbus-Boeing-Streit könnte somit eine Generalprobe gewesen sein, ob Europa und die USA eine gemeinsame Front gegen Chinas Modell der Staatswirtschaft bilden können. (Leopold Stefan, 15.6.2021)