Wien – Nicht nur die SPÖ schoss sich am Dienstag vor den Plenartagen am Mittwoch und Donnerstag auf die Regierung ein. Das Vergehen von Türkis-Grün aus Sicht der Roten: Insgesamt seien zuletzt 57 Oppositionsanträge in den Ausschüssen vertagt worden, beklagte SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried. "Die Regierung hat kein Interesse daran, Inhalte zu diskutieren", poltert der Steirer weiter. "Das ist keine Demokratie, das ist Verhöhnung."

Der SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried ärgert sich darüber, wie die türkis-grüne Regierung mit der Opposition umspringt.
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Konkret seien Diskussionen über Lehrlings- und Schulpakete, einen Corona-Bonus für alle, eine Rehab-Strategie für Long Covid sowie den Tierschutz "versenkt" worden. "Man merkt, dass die ÖVP-Krise und die beginnende Obmanndiskussion bei der ÖVP diese Regierung nur noch lähmen, sie können sich auf nichts mehr einigen, deshalb geht auch nichts mehr weiter", kritisierte Leichtfried.

Obendrein hätten die Regierungsfraktionen für die Tagesordnung am Mittwoch eine Europadebatte aus dem Hut gezaubert, damit die (im Verfassungsausschuss bereits gescheiterte) Ministeranklage gegen Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) nicht "zur besten Sendezeit" diskutiert werden könne und es damit niemand mitbekomme, prangerte Leichtfried an. Die Sozialdemokraten gehen davon aus, dass die Europadebatte bis 13 Uhr laufen wird. Bis dahin ist der Plenartag auf ORF 2 zu sehen, auf ORF 3 freilich durchgehend.

Hintergrund: Die Opposition wollte mit einem gemeinsamen Antrag Blümel wegen verschleppter Aktenübermittlung an den Ibiza-U-Ausschuss zu Fall bringen, was vor wenigen Wochen sogar den Verfassungsgerichtshof mit einem Exekutionsantrag und den Bundespräsidenten auf den Plan gerufen hat. Doch die Regierung fürchte das Parlament "wie der Teufel das Weihwasser", echauffierte sich Leichtfried erneut.

FPÖ will ÖVP mit Asylagenden unter Druck setzen

Die Freiheitlichen wollen ab der Wochenmitte vor allem die Kanzlerpartei ÖVP mit Entschließungsanträgen zu Asyl und Migration unter Druck setzen. Der blaue Sicherheitssprecher Hannes Amesbauer rechnete unter anderem vor, dass sich entlang der Balkanroute derzeit "rund hunderttausend irreguläre Migranten" aufhalten, "da braut sich etwas zusammen". In Richtung von Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) erklärte er gleich mehrmals: "Wir brauchen keine Asyl-PR, sondern eine Asylpolitik, die diesen Namen verdient."

Im Detail will die FPÖ im Plenum etwa einen Antrag einbringen, dass wieder Abschiebungen in Regionen Syriens, etwa rund um den Großraum Damaskus, möglich werden. Zum anderen müsse aus Sicht von Amesbauer über die Pläne von Dänemark nachgedacht werden, wonach Asylanträge überhaupt nur mehr in einem Drittstaat behandelt werden. Dazu recycelte Amesbauer das Ansinnen aus der Zeit von Türkis-Blau, dass dafür "Asylzentren in Drittstaaten" eingerichtet werden sollen.

Zu guter Letzt zog der Freiheitliche noch über "Zwangstestungen für Schüler" her: Er verstehe nicht, "warum man Kinder so drangsaliert".

Neos drängen auf liberale Öffnungszeiten

Die Neos wiederum wollen auf eine Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten drängen. Wie berichtet werden sie dazu am Mittwoch im Nationalrat einen Antrag einbringen, der es in einem Pilotversuch ermöglichen würde, auch über die derzeitigen Sperrzeiten hinweg sowie an Sonntagen offen zu halten. Neos-Klubvize Nikolaus Scherak forderte zudem ein sofortiges Ende der mitternächtlichen Sperrstunden, denn so könnte man "Eskalationen" wie zuletzt beim Polizeieinsatz am Karlsplatz verhindern.

Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger wiederum äußerte ihre Unzufriedenheit mit der Kurzarbeit. In vielen Branchen wie Gastronomie und Tourismus werde händeringend Personal gesucht, meinte sie. Es gebe auch durch die Kurzarbeit zu wenig Arbeitsmobilität. Sie würde das Instrument auf null stellen.

Hintergrund: Am Mittwoch beschließt der Nationalrat eine Novellierung der Kurzarbeit, die zumindest in besonders von Corona betroffenen Branchen wie Stadthotellerie, Nachtgastronomie und Flugverkehr das bisherige großzügige Modell fortschreibt und in weniger betroffenen Sektoren eine abgespeckte Variante belässt. (Jan Michael Marchart, Nina Weißensteiner, 15.6.2021)