Mara Mastalir und Alexander Pinderak durchwandern in Glanerts Nizami-Vertonung die Liebe, die Trauer, die Verzweiflung – bis in den Tod.

Foto: Philine Hofmann

Der Boden ist mit Teppichen ausgelegt, die Sängerinnen und Sänger tragen helle, erdfarbene Leinengewänder. Manche unterhalten sich miteinander, andere sitzen auf dem Boden und lesen, während sich der Saal füllt. "Was vergeht, ist immer nur die Zeit, nie die Liebe", sagt Nikolaus Hagg und beginnt, begleitet von den Klängen der Oud, das Märchen des persischen Dichters Nizami Leyla und Medjnun zu erzählen.

Ende der 1980er-Jahre vertonte der deutsche Komponist Detlev Glanert (Schüler von Hans Werner Henze) den Stoff aus dem 12. Jahrhundert im Auftrag der ersten Münchener Biennale für neues Musiktheater. Dort wurde die Oper am 28. Mai 1988 uraufgeführt. Nun kam das Werk erstmals nach Österreich. Regisseurin und Choreografin Ruth Brauer-Kvam hat dafür mit ihrer Ausstatterin Monika Rovan ein hinreißend poetisches Setting geschaffen, das sich wunderbar in die klassizistischen Räumlichkeiten des Kasinos einfügt und die Zuschauer auf eine märchenhafte Reise mitnimmt. Dabei arbeitet sie mit minimalen Mitteln, die dennoch Großes bewirken: Es gibt Teppiche, schwarz-weiße Schriftbögen mit arabischer Kalligrafie, und auf die Wand werden arabische Schriftzeichen projiziert (Videos: Philipp Haupt).

Trennung in Etappen

Die Geschichte der beiden Liebenden wird in den Etappen ihrer Trennung erzählt. Von der Schule, wo sie von ihren Mitschülern verspottet werden, über den Konflikt mit den Eltern, die sich gegen die Verbindung stellen, bis zu Medjnuns Verbannung in die Wüste und Leylas Tod. Dabei gelingt eine ausdrucksstarke Verbindung zwischen Tanz, Lyrik und Musik, wenn etwa Johanna Arrouas und Anna Nekhames in bodenlangen Röcken zum Klang der Musik schwingen oder Medjnun in der Wüste von Tieren umgeben ist, deren Silhouetten auf weißen Schirmen in arabischer Kalligrafie angedeutet werden. Auch die Idee, die Darsteller Teile des Librettos mit ihrem Körper in Gebärden "schreiben" zu lassen, schafft eine zusätzliche, von besonderer Anmut getragene Bewegungsebene.

Hohes Niveau, gemeistert

All das fügt sich ideal in Glanerts expressive Musik, die orientalische ebenso wie westliche Elemente enthält und zwischen Exklamation, Sprechgesang, zarten Kantilenen und orchestraler Glut changiert. Das Ensemble meistert die Herausforderungen der Partitur für Sänger und 13-köpfiges Orchester (einfühlsam: Dirigent Gerrit Prießnitz) auf höchstem Niveau: Leylas Liebe und Leid übersetzt Mara Mastalir mit ihrem hohen, herben Sopran zum Flageolett der Geige geradezu ideal.

An ihrer Seite lässt Alexander Pinderak seinen klaren Tenor immer wieder in die Kopfstimme gleiten und stellt, begleitet von Klarinette, Fagott, Horn, den entrückten Medjnun dar. Getragen vom Ensemble (herzergreifend: Anna Nekhames Vogelgesang) durchwandern sie Liebe, Trauer und Verzweiflung – bis in den Tod. "Unsere einzige Rettung liegt in der Rettung der verlorenen Geschichten. Wer hören will, muss fühlen". (Miriam Damev, 16.6.2021)