Auch Bücher haben während der Pandemie an Umsatz eingebüßt.

Was sollen die Menschen in der Pandemie angesichts geschlossener Lokale, Clubs, Theater und Kinos anderes machen als lesen? Diese fromme Hoffnung hat sich am Buchmarkt auf den ersten Blick nicht bewahrheitet. Während der Lockdowns aufgrund nur eingeschränkt geöffneter Geschäfte eingebrochen, hat der Umsatz zwischendurch auch Zuwächse verzeichnet. Doch Höhenflüge hat er 2020 keine hingelegt. Insgesamt bilanziert der heimische Buchmarkt nach 15 Monaten Pandemie mit minus 4,4 Prozent negativ.

Kein Grund zur Sorge

Der genauere Blick lohnt sich aber und ergibt ein differenziertes Bild. Eindeutiger Verlierer ist die Reiseliteratur mit einem Minus von 36 Prozent, das Sachbuch büßte lediglich schlanke 0,24 Prozent ein, die eigentlich unterhaltungstaugliche Belletristik indes rund 2,7. Einzig zugelegt haben Verkäufe bei Kinder- und Jugendbuch (2,88 Prozent).

Dass die Belletristik nicht einmal die fehlende Unterhaltungskonkurrenz von Konzerten und Kino in ein Plus für sich verwandeln konnte, ist für Zsolnay-Verleger Herbert Ohrlinger vor dem Hintergrund generell sinkender Leserzahlen kein Grund zur Sorge. Schließlich konnten über ein Jahr lang auch keine Lesungen stattfinden, das habe für Verkäufe so wichtige Begegnungen und Aufmerksamkeit gekostet. Trotzdem hatten Zsolnay und die deutsche Mutter Hanser ein gutes Jahr: "Ein paar Titel weniger, dafür prominente Namen. Das hat funktioniert."

Veröffentlichungslogik geändert

Die Veröffentlichungslogik hat sich bei Zsolnay auch geändert, weil Messen als Taktgeber des Bücherjahres fehlten. Das Programm, das die stärksten Titel üblicherweise auf die Monate Jänner bis März konzentrierte und dann erst ab Juli wieder einsetzte, wurde entzerrt. "Wir konnten 2020 kontinuierlich sehr hohe Stückzahlen absetzen. Es gab erstaunlicherweise kein Sommerloch. Die Zeit von April bis Juli war sonst immer extrem schwierig."

Auch andere Verlage sind unverhofft gut durch die Krise gekommen. In der Voraussicht, dass Corona alle Diskussionen des Jahres bestimmen würde, hat man bei Residenz das debattenlastige Sachbuchprogramm um ein Jahr verschoben. Zudem hat Verlagsleiterin Claudia Romeder stärker auf Literatur gesetzt. "Weil wir das Gefühl hatten, das ist, was die Leute konsumieren wollen." In dem Segment verzeichnen die Salzburger ein Plus von fünf Prozent, insgesamt hält sich das Corona-Minus in Grenzen. Keine allzu großen Einbußen meldet auch der Otto-Müller-Verlag.

Kleine Verlage bedroht

In Deutschland hat eine Studie zuletzt Alarm geschlagen, die die verlegerische Vielfalt bedroht sieht. Die Zahl kleiner Verlage sei in den letzten Jahren stetig gesunken, die Absatzplanung werde für sie bei steigenden Fixkosten schwieriger. Die 40 größten Verlage erwirtschaften den Ergebnissen zufolge fast 80 Prozent des Buchumsatzes, die kleineren bloß sechs. Corona dürfte die Lage nicht entspannt haben.

Wie sieht das hierzulande aus? Beim Hauptverband des Österreichischen Buchhandels (HVB) weiß man von keinen Corona-bedingten Pleiten von Händlern oder Verlagen. Hier ist die Situation aufgrund der länger existierenden Verlagsförderung grundsätzlich besser. Zudem lobten Gesprächspartner die Hilfsleistungen der Politik während der Pandemie: Die Verlagsförderung wurde erhöht, die Mehrwertsteuer auf Bücher auf fünf Prozent halbiert, eine Digitalförderung initiiert.

Höherer Preis, wieder mehr Umsatz

Für das Jahr 2021 rechnet HVB-Geschäftsführer Gustav Soucek damit, den Umsatz von 2019 wieder zu erreichen oder sogar zu übertreffen – "dabei war 2019 besser als die Jahre davor". Derzeit liegt man 3,5 Prozent unter dem Vergleichszeitraum.

Sein Scherflein dazu trägt auch bei, dass die Buchpreise mit zwei Prozent vergangenes Jahr stärker gestiegen sind als zuletzt. Damit kostete ein Buch heuer im Durchschnitt etwa 14,90 Euro. Mehr verdienen die Verlage daran allerdings nicht, die Anhebung liegt unter der Inflation und deckt kaum Kostensteigerungen für Miete und Lohn ab.

Dankeschön für Händler

Die Preiserhöhung ist kein Pandemieeffekt. Nachhaltige Folgen des Ausnahmezustandes auch über die Programmentzerrung hinaus gibt es aber wohl. Das Verhältnis zu Amazon hat sich zwar schnell wieder normalisiert. Sanktionen kann man gegen den Riesen schlecht verhängen. Doch nicht nur Kunden haben den stationären Buchhandelnach einem Lieferstopp von Amazon neu zu schätzen gelernt. Zsolnay gewährt als Dank für deren Engagement neuerdings auch kleinen Händlern höhere Rabatte und längerfristige Zahlungsziele sowie Werbekostenzuschüsse, wie es bisher nur für Ketten wie Thalia und Morawa üblich war. Das gebe es nun öfter, werde sich aber nicht bei allen Verlagen durchsetzen, sagt Soucek. (Michael Wurmitzer, 16.6.2021)