Im Gastkommentar zeigt sich der Ökonom Kurt Bayer erstaunt, dass vom Österreich-Ableger der NGO Transparency International zur Causa Prima so wenig zu hören ist, und ortet eine Unvereinbarkeit.

Eine Reihe von Regierungsmitgliedern und anderen Funktionärinnen und Funktionären wird von der Staatsanwaltschaft diverser Vergehen beschuldigt, hochrangige Mitglieder der Österreichischen Volkspartei attackieren die Staatsanwaltschaft und die Justiz, sodass sogar der sonst sehr zurückhaltende Bundespräsident ausrücken musste und, ebenso wie die Justizministerin und die Präsidentin der Richtervereinigung, das Selbstverständliche einforderte, nämlich dass die höchsten Staatsinstitutionen und die der Verfassung zugrunde liegende Gewaltenteilung zu respektieren seien – und dass die höchsten Staatsorgane hier eine besondere Verantwortung und Vorbildwirkung auszuüben hätten.

Unterstellt der WKStA politische Motive und falsche Prioritätensetzung: der ÖVP-Fraktionsführer im Untersuchungsausschuss, Andreas Hanger.
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"Wehret den Anfängen"

Die Medien berichten in unterschiedlicher Intensität über diese demokratiepolitisch schwerwiegenden Vorgänge. In ausländischen Medien wird bereits darüber diskutiert, ob Österreich sich den problematischen Entwicklungen einiger EU-Länder annähere. Nichtregierungsinstitutionen aller Art äußern sich zur Bedenklichkeit dieser Vorgänge und erinnern, dass die Aushöhlung demokratiepolitischer Grundsätze meist schleichend vor sich geht – bis es "zu spät" sei. "Wehret den Anfängen" ist allenthalben von Besorgten zu hören.

Und da erstaunt es, dass eine NGO, deren Mission es ist, "in allen Gesellschaftsbereichen Korruption zu verhindern sowie Transparenz, Verantwortung und Integrität zu fördern", und deren Grundwerte "Transparenz, Verantwortung, Integrität, Solidarität, Mut, Gerechtigkeit und Demokratie" sind, sich bisher zu diesen Vorgängen nicht zu Wort meldet. Einzig zur Nichtvorlage der geforderten Akten des Finanzministeriums hat sich Transparency gemeldet.

Eine Unvereinbarkeit

Es mag sein, dass diese ungewöhnliche Schweigsamkeit mit einer möglichen Befangenheit des Vorstandsmitglieds Georg Krakow zu tun hat, der den eben als Verfassungsrichter zurückgetretenen Wolfgang Brandstetter in seinem Verfahren wegen unerlaubter Informationsweitergabe rechtsfreundlich vertritt. Diese Doppelfunktion Krakows, hier Vorstand der Sauberkeits-NGO, dort Vertreter eines diese möglicherweise ("Es gilt die Unschuldsvermutung") verletzt habenden Verfassungsrichters scheint äußerst merkwürdig.

Die Statuten von Transparency sagen nichts zu solchen möglichen Unvereinbarkeiten, doch würde es dem Anstand und der Auswirkung auf die Reputation und Glaubwürdigkeit von Transparency International Austrian Chapter jedenfalls guttun, wenn Krakow seine Funktion dort bis Ende des Verfahrens Brandstetter ruhen ließe und er nicht dem Beispiel seines Mandanten folgte, der nach Bekanntwerden seiner Verfolgung durch die Staatsanwaltschaft sich weigerte, sein Amt als Verfassungsrichter ruhen zu lassen. Die kürzlich bekannt gewordene Kommunikation zwischen Brandstetter und dem suspendierten Sektionschef Christian Pilnacek hat das "Problem Brandstetter" gelöst, jenes von Krakow und Transparency International Austrian Chapter besteht weiter. (Kurt Bayer, 16.6.2021)