Im Burgenland hat man sich mit den Windrädern arrangiert wie sonst kaum wo. Das beweist ein Blick nach Parndorf. Dort befindet sich am Fuße eines Windrades eine Motocross-Strecke. Eine erstaunliche Symbiose. Die Motorradfahrer nutzen den freien Raum rund ums Windrad und den Vorteil, dass sie niemanden mit ihrem Lärm und Staub stören. Und das Windrad hat auch kein Problem mit den Crossern. Ganz im Gegenteil. So regt sich wenigstens niemand über das Windrad auf.

472 Windräder stehen im Burgenland. Viel mehr dürften es nicht mehr werden. Nun will das Burgenland die Photovoltaik ausbauen, um bis 2025 komplett mit erneuerbaren Energieträgern auszukommen.
Foto: Wolf-Dieter Grabner

Obwohl, kaum wo ist die Akzeptanz von Windrädern so groß wie im Burgenland. Rund 60 Prozent der Bevölkerung stehen den Windrädern positiv gegenüber, hat die Energie Burgenland erhoben. Derzeit drehen sich im Burgenland 472 Windräder – und es werden kaum mehr werden. Das Südburgenland ist für die Gewinnung von Strom aus Windkraft wenig geeignet, das Nordburgenland gut versorgt, allein im Mittelburgenland werden noch ein paar Propeller dazu kommen. Was aber passiert, ist die Erneuerung älterer bestehender Anlagen durch effizientere.

Mehr Stromerzeugung als Verbrauch

Dabei wird im Burgenland schon jetzt mit 140 Prozent weit mehr Strom erzeugt, als das Bundesland selbst braucht. Dabei gab es im vergangenen Jahr sogar etwas weniger Wind als gewöhnlich. Obwohl, so dramatisch ist das jetzt auch nicht. Hat die Energie Burgenland im Geschäftsjahr 2019/ 2020 noch 1019 Gigawattstunden Strom aus der Windkraft gewonnen, waren es im Jahr davor 1080 Gigawattstunden. Und nur um einen Vergleich zu haben: Zur Windenergie kamen 2019/20 vergleichsweise bescheidene 62 Gigawattstunden aus Biomasse und 17 Gigawattstunden aus Photovoltaik. Doch zu den Solaranlagen kommen wir noch später. Erst ziehen wir unter die Zahlen einen generösen Schlussstrich, und darunter steht, dass das Burgenland fast zur Gänze mit dem Strom aus Windkraft auskommt.

Ein Windrad beim Service. In rund hundert Meter Höhe beginnen sich Industriekletterer entlang der etwa 40 Meter langen Rotorblätter Zentimeter für Zentimeter abzuseilen.
Foto: Wolf-Dieter Grabner

Noch beeindruckender als diese Zahlen sind die Windräder selbst. Schon allein, wenn man vor einem solchen steht. Mehr aber noch, wenn man die seltene Gelegenheit hat, so ein Kraftwerk zu erklettern. Ja, natürlich gibt es einen Lift – oder nennen wir es einen Lastenaufzug, denn sehr komfortabel ist die Reisekabine nicht. Man kann die rund hundert Meter bis rauf, wo sich der Generator befindet, aber auch über eine garstige Hühnerstiege meistern.

Nein, Leiter wäre der falsche Ausdruck, denn die Sprossen gehen links und rechts von einem Zentralrohr weg, und an den Seiten ist gar nichts. Gut, die rutschfesten Metallstreben, auf die man steigt, sind auf der Außenseite wenige Zentimeter weit nach oben gebogen, damit man ja nicht abrutschen kann. Jetzt mag man sich aber auch vorstellen, was so Sprossen für Schien- und Hosenbeine bedeuten, wenn man da nicht aufpasst. Da ist alles dem perfekten Halt untergeordnet. Dabei ist man ohnedies eigens gesichert, wenn man den Aufstieg mit Eigenantrieb wagt. Im Zentralrohr fährt ein Schlitten mit, an den man den Brust- und Sitzgurt hängt. Der Schlitten lässt sich nur nach oben, nicht nach unten schieben. Für den Abstieg gibt es da natürlich eine Lösung. Und zur Sicherheit auch ein Fangnetz etwa in der Mitte des Turms.

Servicearbeiten

Alle paar Jahre muss so ein Windrad durchgecheckt werden. Darum kümmern sich Industriekletterer, und die durfte ich – das ist auch schon Jahre her – einmal begleiten. Vor der Überprüfung wird das Windrad natürlich abgeschaltet. Und es muss windstill sein. Denn für eine genaue Begutachtung seilen sich die Kletterer entlang jedes einzelnen Rotorblattes ab, um es auf Risse, Schäden oder andere Auffälligkeiten abzusuchen.

Während die Experten Rotor, Generator, Drehgestelle und Kabel überprüfen, ist unsereins allein schon von der Aussicht beeindruckt. Und davon, wie sich jene, die öfter hier oben sind, bewegen. Angst scheint ihnen ebenso fremd zu sein wie Respektlosigkeit.

Die Aussicht da oben ist fantastisch. Der Pulsschlag aber besorgniserregend, wenn einem das neu ist.
Foto: Wolf-Dieter Grabner

Respekt vor der Natur ist es, der uns als Gemeinschaft antreibt, die regenerativen Quellen besser zu nutzen. Windräder emittieren ja im Grunde keine Abgase und kein Kohlendioxid. Einmal gebaut, halten sie Jahrzehnte und verrichten ohne großes Theater ihren Dienst. Ganz problemlos sind sie aber auch nicht.

Vogelschlag

Ein Thema, das die Umweltschützer sehr beschäftigt, ist der sogenannte Vogelschlag. Ein bis zwei Vögel werden jährlich von einem Windrad getötet. Das hat zumindest der Naturschutzbund Deutschland geschätzt. Die Schätzung liegt bei einem Vielfachen der Funde von getöteten Vögeln. Wo die Wahrheit genau liegt, weiß niemand. Aber klar ist, dass auf den Schutz von Vögeln im Burgenland besonders viel Wert gelegt wird – da geht es nicht nur um Störche, das ganze Land gilt ja als Vogelparadies. Darum arbeitet die Energie Burgenland mit NGOs wie Birdlife und dem WWF, etwa beim Projekt Kaiseradler, zusammen.

Ein anderes Thema, das immer wieder gegen die Windräder vorgebracht wird, ist die Entsorgung der Rotorblätter. "Es sind Holzkonstruktionen mit einem Überzug aus Epoxyharz", erklärt Jürgen Schwarz, Pressesprecher Energie Burgenland, und erzählt von diversen Upcycling-Projekten, die entstehen. Es gibt Entwürfe, Brücken für Radfahrerinnen und Radfahrer aus alten Rotorblättern zu machen, oder etwa auch Bushaltestationen. Die erste beiden Reuse-Wings-Brücken dürften übrigens demnächst im Burgenland errichtet werden.

An den Rotoren befinden sich kleine Spitzen, die als Blitzableiter dienen.
Foto: Wolf-Dieter Grabner

Bereits im Betrieb ist der Photovoltaikpark in Eisenstadt. Weitere sollen folgen – und das müssen sie auch, wenn die Vision, dass das Burgenland bis 2025 auf ein vollständig erneuerbares Energiesystem zurückgreifen will, wahr werden soll.

Solarparks

Derzeit ist man auf der Suche nach Brachflächen, in denen weitere Anlagen errichtet werden können. Im Fokus liegen dabei Felder, die in der Nähe von Windrädern liegen, weil dort die Infrastruktur zum Einspeisen des Stromes schon vorhanden ist. Aber auch abseits davon will man Solarstrom erzeugen – nicht immer zur Begeisterung der Bürger. Die vorgebrachten Argumente sind, dass die Anlagen nicht schön seien und den Boden versiegelten, das Wild störten. Über Ästhetik kann man streiten, ob jetzt ein Kraftwerk so viel schöner ist, darf man hinterfragen. Das Argument mit der Bodenversiegelung geht auch ins Leere. Den die Stützen werden in den Boden eingeschlagen, und unter den Paneelen wächst Gras, Regenwasser kann überall versickern.

Weil sich der obere Teil des Windrades ja drehen kann, gibt es einen kleinen Spalt. Durchfallen kann man nicht. Außer man ist ein Werkzeug.
Foto: Wolf-Dieter Grabner

Die Gegner solcher Anlagen wünschen sich die Solaranlagen lieber auf Dächern. Dort stören sie das Ortsbild weniger. Allerdings ist die Errichtung am Boden deutlich günstiger.

Lösungen wird es brauchen, um ein weiteres Problem zu lösen, das mit dem regenerativen Strom zusammenhängt. Und zwar geht es da um die Speicherung von überschüssigem Strom für die Zeit, wenn kein Wind weht und keine Sonne scheint.

Energie speichern

Wasserstoff kommt hier immer wieder ins Spiel. Aus regenerativem Strom könnte man sauberen Wasserstoff herstellen. Dabei gibt es zwar einige Verluste, dafür aber Umweltvorteile. Es ist etwa geplant, Erdgas mit zehn Prozent sauberem Wasserstoff zu mischen. Moderne Gasthermen können damit wunderbar arbeiten und brauchen keine Adaptierungen. Auf diese Art könnte der Strom aus Wind und Sonne im Burgenland langfristig auch Erdgas als Brennstoff für Heizungen verdrängen. (Guido Gluschitsch, 30.6.2021)