Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) plant einen Totalumbau des Bundesheers.

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Wien – Das Verteidigungsministerium und die Heeresführung werden neu strukturiert. Kern der Reform ist eine Verschlankung der Führungsstruktur und die Trennung von Verwaltung und militärischer Führung. Aus bisher fünf Sektionen in der Zentralstelle werden künftig drei Direktionen. Der Personalstand im Ministerium schrumpft dabei. Und der Generalstabschef bekommt eine Doppelfunktion: Er ist als Person Teil des Ministeriums und gleichzeitig Generaldirektor für Landesverteidigung.

Umstellung der Direktionen

Das Ministerium, das bisher fünf Sektionen hatte, besteht künftig aus dem Kabinett inklusive Generalsekretär, darunter folgen zwei zivile Generaldirektionen: eine für Personalführung und Budget zuständige Präsidialdirektion und eine für Recht, Diplomatie und Kommunikation zuständige Direktion für Verteidigungspolitik. Darüber hinaus wird eine Direktion Revision und Disziplinar- und Beschwerdewesen gebildet. Die Umstellung auf Direktionen sei eine Anpassung an internationale Standards, heißt es aus dem Ressort.

Die vom Generalstabschef geführte Generaldirektion für Landesverteidigung ist Teil des Ministeriums und des Bundesheeres zugleich. Ihr werden in Form von acht weiteren Direktionen alle Fachbereiche der Truppe unterstellt, zudem ist ihr die Direktion Fähigkeiten- und Grundsatzplanung zugeordnet. Aus dem Kommando Streitkräfte wird die Direktion Einsatz, die Luftkomponenten werden in der Direktion Luftstreitkräfte zusammengeführt, in der Direktion Ausbildung werden alle Ausbildungskomponenten gebündelt, das Kommando Streitkräftebasis wird zu Logistik-Direktion, es folgen noch die Direktion Beschaffung, IKT und Cyber, Infrastruktur und militärisches Gesundheitswesen.

"Verschlankung der Verwaltung"

Alle Führungspositionen werden dabei neu ausgeschrieben. Im Ressort versichert man allerdings, dass es bei dieser Strukturreform nicht um Umfärbungen gehe, sondern um eine "Verschlankung der Verwaltung und Stärkung der Truppe", wodurch das Bundesheer insgesamt effektiver und ökonomischer werden solle. Redundanzen und Doppelgleisigkeiten sollen vermieden bzw. Aufgaben und Kompetenzen in eine Hand kommen. Dadurch sollen "budgetäre und personelle Spielräume" geschaffen werden.

Im Vorfeld hatten die Wehrsprecher von Rot und Blau bereits ihre Sorge vor Umfärbungen deponiert. Für Robert Laimer (SPÖ) ist die "verkaufte Effizienzsteigerung" in Wahrheit eine "türkise Postenbesetzung für den Kabinettschef und den Generalsekretär". Offenbar sollen durch die Ausgliederung des Generalstabs die Soldaten "mit aller Gewalt aus dem Ministerium hinausgedrängt werden". Reinhard Bösch (FPÖ) sprach von einer "unverschämten türkisen Umfärbung" des Ministeriums. Für ihn sind die von Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) geplanten Strukturänderungen nicht auf sachliche Argumente zurückzuführen, sondern lediglich eine "Kopfgeburt" des Generalsekretärs der Ministerin. Die Gefahr, dass nach dem Innenministerium nun auch das Ministerium für Landesverteidigung zu einer türkisen Vorfeldorganisation umgestaltet werde, sei "gravierend".

Generalstabschef Robert Brieger behält jedenfalls seine Funktion, bis er als Leiter des Militärausschusses der Europäischen Union im Mai 2022 nach Brüssel wechselt. Ausgearbeitet wurde die Reform federführend vom Generalsekretär von Verteidigungsministerin Tanner, Dieter Kandlhofer. Er soll nach dem Umbau eine der beiden zivilen Sektionen leiten.

Reform bis April 2022 vollenden

Mit der Reform werden in erster Linie die bisherige Verwaltung und die militärische Führung getrennt und damit Doppelgleisigkeiten beseitigt. War es bisher so, dass bei jeder Anforderung vier bis fünf Ebenen und Hierarchien beschäftigt waren, werden künftig nur mehr zwei Ebenen miteinander direkt kommunizieren: die betroffene Einheit und die zuständige Direktion. Das trifft etwa bei logistischen Anforderungen, Beschaffungen, Ausbildung, Einsatzvorbereitungen und der Kommunikation zu.

Die Geschäftseinteilung wird mit 1. Juli vorgenommen, spätestens im April 2022 soll die Reform vollzogen und die Personalpläne umgesetzt werden. Durch die Zentralstellenorganisation soll Personal aus dem Ministerium in die Truppe verlagert werden. Es soll dabei aber niemand an einen anderen Ort versetzt werden. Jeder Bedienstete bleibt an seinem bisherigen Garnisonsort. Für die Truppe ändert sich nichts, die Militärkommanden, Brigaden und Bataillone bleiben unverändert bestehen.

Tanner: "Reform für die Truppe"

Mit der Reform sollen "Doppelgleisigkeiten" abgeschafft und das "Aktenpingpong" beendet werden, das die tägliche Arbeit der Soldatinnen und Soldaten erschwert habe, betonte Verteidigungsministerin Tanner. "Wir wollen eine zukunftsfähige Struktur für das Bundesheer schaffen." Und zwar mit einer Reform der Struktur der Zentralstelle und nicht der Truppe. "Das ist erstmals eine Reform für die Truppe und keine Reform der Truppe", sagte Tanner.

Die Reformen der Vergangenheit seien nie zu Ende gebracht worden, was für jede Organisation bzw. jedes Unternehmen schädlich sei, so Tanner. Zudem sei dabei die "Wurzel des Problems", nämlich die "Kopflastigkeit", nie angegangen worden. Das habe sich mit der aktuellen Reform geändert, so die Verteidigungsministerin.

Für Generalstabschef Brieger ist die Strukturanpassung der Versuch, eine "relativ komplexe, kopflastige Organisation stärker an der Truppe zu orientieren". Durch die Verschlankung der Zentralstelle und dadurch, dass weniger Abteilungen gebildet werden, wobei aber die einzelnen größer ausfielen, würden Schnittstellen reduziert. Wesentlich sei, dass jede Aufgabe nur einmal wahrgenommen und abgebildet bzw. auf einer Organisationsebene gemanagt wird. Die für die Führung des Bundesheeres wesentlichen Aufgabenträger werden unter dem Chef des Generalstabs zusammengefasst, was eine Dynamisierung des Führungsverfahrens ermögliche, so Brieger.

Van der Bellen ist informiert

Tanner hat bereits am Dienstag Bundespräsident Alexander Van der Bellen über ihre Pläne informiert. In einem ausführlichen Gespräch erläuterte die Ministerin dem Oberbefehlshaber Gründe und Schwerpunkte der geplanten Weiterentwicklung der Zentralstelle und der oberen militärischen Führung.

Van der Bellen hält es, wie er via Twitter mitteilte, für "sicherlich sinnvoll und notwendig", Abläufe im Verteidigungsministerium effizienter zu gestalten sowie Kommandostrukturen des Bundesheeres einsatzbezogen zukunftsorientiert auszurichten. Wichtig ist dem Staatsoberhaupt die begleitende Projektevaluierung vor Umsetzung der endgültigen Neuorganisation.

Die Grünen begrüßen prinzipiell die Neustrukturierung an der Spitze des Bundesheeres für ein schlankeres Ministerium, ihr Wehrsprecher David Stögmüller mahnt im STANDARD-Gespräch aber auch: "Was die anstehenden Neuausschreibungen und Postenbesetzungen betrifft, werden wir ein kritisches Auge darauf haben." Wie der Bundespräsident spricht sich auch der Juniorpartner der Koalition für eine begleitende Projektevaluierung aus, ehe die neue Organisationsform endgültig fixiert wird. Und auch darauf drängt Stögmüller: "Wichtig ist zudem, dass nun schnellstmöglich das Parlament – allen voran die Wehrsprecher der anderen Parteien – in die Reform eingebunden werden, um für eine breite Akzeptanz zu sorgen."

Auch Neos üben Kritik

Genau in diese Kerbe schlägt Neos-Wehrsprecher Douglas Hoyos auf Anfrage am Mittwoch: Er kritisiert, dass Tanner & Co im Vorfeld derart weitreichender Änderungen wieder einmal keine Gespräche mit der Opposition gesucht hätten – und das, obwohl sich die Ministerin rund um ihre bisher anvisierten Reformen "nicht gerade mit Ruhm bekleckert" habe. Positiv sieht der pinke Verteidigungssprecher die Aufwertung der Cyber-Defense. Aber der Neos-Mandatar, dessen Partei eine Verschlankung des Apparats prinzipiell befürwortet, warnt auch: "Bisher ist schon jeder Verteidigungsminister vor Tanner Strukturänderungen angegangen – erfahrungsgemäß ist nun zu befürchten, dass das Haus wieder für ein halbes Jahr gelähmt ist." (APA, red, 16.6.2021)