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Einen Monat nach der Wahl zur Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH) drängt nun die Zeit, um eine Regierungskoalition für die nächsten beiden Jahre auf die Beine zu stellen. Am Freitag findet die konstituierende Sitzung der Bundesvertretung statt, in der das Vorsitzteam gewählt werden muss. Ihre Arbeit nimmt die neue ÖH-Spitze dann am 1. Juli auf.

Weitgehend sicher ist, dass Sabine Hanger von der ÖVP-nahen Aktionsgemeinschaft (AG) den Chefsessel wird räumen müssen, zumal die AG ein Minus von drei Mandaten einfuhr und in Stimmen auf Rang drei abrutschte.

In der besten Ausgangslage ist der Verband sozialistischer Studierender (VSStÖ), der künftig 14 von 55 Mandaten im Studierendenparlament stellen wird. Erklärtes Ziel von Spitzenkandidatin Sara Velić ist, dass bis Freitag eine "linke Koalition" präsentiert werden kann. Für eine linke Mehrheit braucht es jedenfalls die Grünen und Alternativen Studierenden (Gras) mit ihren zwölf Mandaten. Um insgesamt auf die nötigen 28 Mandate einer Koalitionsmehrheit zu kommen, braucht es dann noch eine dritte Fraktion – Verhandlungen gab es in den vergangenen Wochen sowohl mit dem Kommunistischen StudentInnenverband – Linke Liste (KSV-Lili, zwei Mandate) als auch den Fachschaftslisten (Flö, sechs Mandate).

KSV-Lili wohl nicht in Exekutive

Die von der Gras favorisierten Kommunisten sind aber mittlerweile aus dem Rennen, wie KSV-Spitzenkandidatin Jesica Gasior im Gespräch mit dem STANDARD bestätigt. Der VSStÖ sei auf ihre Forderungen nicht eingestiegen – etwa eine Kampagne, "die auf die prekären Studien- und Arbeitsverhältnisse" aufmerksam machen sollte. Auch die Idee eines Referats für "Antifaschistische Gesellschaftskritik" sei nicht auf Anklang gestoßen.

Stattdessen habe der VSStÖ ein "Rebranding der Bundes-ÖH" in den Vordergrund gestellt. Es sei "schade, dass es nun keine linke Koalition geben wird, obwohl das möglich gewesen wäre", sagt Gasior. Subtext: Die Flö seien eben keine linke Kraft. Die roten Studierenden hingegen hatten schon zu Beginn der Koalitionsverhandlungen Bauchweh bei dieser Variante signalisiert. Man wolle eine stabile Mehrheit, hieß es kurz nach der Wahl, mit dem KSV-Lili hätte man genau die 28 notwendigen Mandate erreicht. Mit der Flö-Variante hingegen gibt es ein bisschen Spielraum mit 32 Mandaten.

Strittige Rochaden

Die parteiunabhängigen Fachschaftslisten und der VSStÖ verhandeln nun unter Hochdruck über eine Zusammenarbeit inklusive Gras. Sollte das gelingen, käme es zur Neuauflage jener Koalition, die Mitte letzten Jahres in bitterem Streit auseinandergebrochen war und den Weg für die AG freigemacht hatte.

Das Misstrauen zwischen den drei Fraktionen dürfte aber noch nicht vollends ausgeräumt sein. Ein Knackpunkt soll etwa die Frage sein, wer im ersten Jahr der zweijährigen Periode den Chefposten innehaben soll oder ob es überhaupt eine Rochade an der Spitze geben wird. Aufseiten von VSStÖ und Flö will man nicht, dass die Gras als zweitplatzierte Fraktion den Vorsitzposten im ersten Jahr erhält. In der letzten Koalition war genau dies das Problem: Die Gras sollte nach einem Jahr das Ruder an den VSStÖ übergeben, doch dazu kam es wegen der Reibereien 2020 nicht mehr.

Projekte und Posten

"An der Vorsitzfrage wird es nicht scheitern", heißt es jedoch aus Verhandlungskreisen. Neben den Spitzenplätzen müssen aber auch noch andere Posten verteilt und Projekte finalisiert werden. Dabei stelle sich die Frage: Was geht sich alles aus? Es gebe eine Fülle an Projekten, die sich die einzelnen Fraktionen wünschen.

Die Schwerpunkte, mit denen die einzelnen Fraktionen in die Verhandlungen gegangen sind, dürften ihren Wahlkampfthemen gleichen, hört man. Der VSStÖ will eine Studierendenbefragung inklusive einer großen Kampagne anstoßen, um neue Inputs zu erhalten, was sich die Studierenden von der ÖH wünschen. Die Gras setzt besonders auf das Thema Klimaschutz und Ökologie und will den Weg zu klimaneutralen Hochschulen bereiten. Besonderes Anliegen der Flö sind die bildungspolitischen Themen und die Begleitung der anstehenden Reformen im Hochschulbereich.

Nichts fix

Eine Einigung auf Posten und Arbeitsprogramm bis Freitag ist durchaus wahrscheinlich, aber noch nicht fix. "Es könnte auch ein freies Spiel der Kräfte bei der Vorsitzwahl geben", berichten Involvierte. In diesem Fall hätte wiederum Sara Velić vom VSStÖ die besten Karten, da sie wahrscheinlich auch die Stimmen der Flö bekäme.

Die Jungen Liberalen Studierenden (Junos) waren bisher an keinen Verhandlungen beteiligt. Bei einem Scheitern der linken Gespräche wäre man bei der Wahl am Freitag aber für eine Kooperation mit AG und Gras offen, sagt Junos-Chefin Sophie Wotschke. Vonseiten der Gras heißt es hingegen, man sei an dieser Option nicht interessiert, es komme nur eine linke Zusammenarbeit infrage.

Lokale Verhandlungen

Aber nicht nur um die ÖH-Bundesvertretung wird derzeit gedealt. Auch beinahe jede Hochschule erhält eine lokale Vertretung. Mit einer Ausnahme: An der Donauuni Krems wurde die Hochschulvertretung nicht gewählt, weil sich nicht genügend Kandidaten fanden.

Erste Verhandlungsergebnisse gab es an den großen Universitäten bereits. Die ÖH an der Uni Graz bekommt ihre zweite "Grapefruit-Koalition". AG, Gras und Junos haben sich dort auf eine Zusammenarbeit geeinigt. An der Uni Salzburg haben sich der VSStÖ, die Gras und die Liste unabhängiger & kritischer Studierender (Luks) auf eine Koalition geeinigt. An der Uni Klagenfurt hingegen fanden sich VSStÖ und AG erneut zusammen.

An der Uni Innsbruck musste heuer auch verhandelt werden. Die AG verlor zwei Mandate und damit ihre absolute Mehrheit, sie wird mit den Junos koalieren. An der größten Hochschule des Landes, der Uni Wien, gibt es noch keine Einigung. Auch hier kam die linke Koalition, bestehend aus VSStÖ, Gras und KSV-Lili, vergangenes Jahr nach internen Querelen zu einem abrupten Ende.

Geringe Wahlbeteiligung

Großes Thema wird für die ÖH-Bundesvertretung, aber auch die lokalen Vertretungen in den kommenden zwei Jahren bis zur nächsten ÖH-Wahl eines sein: die Wahlbeteiligung.

Heuer erreichte diese ein absolutes Tief. Nur rund 16 Prozent der 345.000 Studierenden haben ihre Stimme abgegeben. Bei der Wahl 2019 war es noch rund ein Viertel. (Theo Anders, Oona Kroisleitner, 16.6.2021)