Die Abwesenheit von Elektronen – sogenannte "Löcher" – in einem Festkörper verhalf einer Forschungsgruppe zur Schaffung vielversprechender Qubits.
Bild: Baxley/JILA

In verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen wird eine "lange Lebensdauer" unterschiedlich definiert: Während man sich etwa in evolutionärer und erdwissenschaftlicher Hinsicht hier eher im Bereich der Jahrtausende bis Jahrmillionen bewegt, können etwa in der Quantenphysik Bruchteile einer Sekunde ein sprichwörtlicher Quantensprung sein.

So auch bei einer aktuellen Veröffentlichung eines Forschungsteams, an dem Wissenschafter und eine Wissenschafterin des Institute of Science and Technology (IST) Austria in Klosterneuburg beteiligt waren: Sie schufen Quantenbits (Qubits), die über eine relativ lange Lebensdauer von bis zu 150 Mikrosekunden, also 0,00015 Sekunden, verfügen. Dadurch dürften die hergestellten Qubits besonders gut für Anwendungen im Bereich des Quantencomputing geeignet sein, wie das Team im Fachmagazin "Nature Materials" schreibt.

Verknüpfbare Löcher

Qubits sind die Informationseinheiten des Quantencomputers. Das System des Forschungsteams nutzt die Abwesenheit von Elektronen, sogenannte "Löcher", in Festkörpern, um Qubits zu kreieren. Diese Löcher lassen sich – vereinfacht gesagt – steuern und verknüpfen.

Quantencomputer sollen einmal bestimmte Rechenaufgaben schneller lösen können als klassische Rechner. Dabei macht man sich in Qubits verschiedene quantenphysikalische Phänomene zunutze. Solche Qubits können auf verschiedene Weise realisiert werden, etwa mit Ionen, Atomen, Photonen oder supraleitenden Schaltkreisen.

Qubits können nicht nur zwei Zustände, also etwa Eins oder Null einnehmen, sondern Überlagerungen dieser beiden Zustände. Dadurch kann der Quantencomputer parallel viele mögliche Ergebnisse auf einmal berechnen. Je mehr Qubits verknüpft sind, desto komplexere Aufgaben können damit erledigt werden.

Elektronen wie Protonen behandeln

Die Konstruktion von stabilen Qubits, die sich miteinander verknüpfen lassen, gilt als eine der zentralen Herausforderungen auf dem Weg zum Quantencomputer. Das Team um Daniel Jirovec vom IST hat in seinem Experiment gezeigt, wie es die Abwesenheit von Elektronen in einem Festkörper kontrollieren und als Qubit nutzen kann.

Fehlt ein solches negativ geladenes Teilchen, kann es physikalisch so behandelt werden, als wäre es ein positiv geladenes Teilchen. Entsprechende Manipulationsmöglichkeiten vorausgesetzt, kann man so ein "Loch" im Festkörper bewegen. Zudem besitzen die "Löcher" – so wie Elektronen – einen Eigendrehimpuls ("Spin") und können miteinander wechselwirken, wenn sie sich nahekommen.

Präzise Bewegung der "Löcher"

In einem aus nur wenigen Nanometer dünnen Schichten bestehenden Bauteil gelang es der Forschungsgruppe, solche "Löcher" in einer in der Mitte liegenden germaniumreichen Schicht einzusperren. Durch eine elektrische Spannung, die an winzige Drähte auf der obersten Schicht angelegt wird, lassen sich die positiv geladenen "Löcher" extrem präzise innerhalb ihrer Schicht bewegen. Indem sie so zwei "Löcher" nahe zueinander gebracht und den Bauteil einem schwachen Magnetfeld ausgesetzt haben, konnten die Forscher aus den wechselwirkenden Spins der Löcher ein Qubit erzeugen.

Grundsätzlich ließen sich auch mit einzelnen Löchern Qubits erzeugen, "in der Praxis hat die Kombination von zwei Löchern aber Vorteile", sagte Jirovec zur APA. So müsste man etwa an Ein-Loch-Spin-Qubits ein deutlich stärkeres Magnetfeld anlegen, um die Spin-Zustände (oben und unten) zu trennen und auch der Experimentaufbau wäre wesentlich komplexer.

Langlebig und schnell in der Verarbeitung

Weil die Forschungsgruppe in ihrem System die Magnetfeldstärke deutlich reduzieren kann, ermöglicht dies die Kombination der Qubits mit Supraleitern, "die normalerweise durch starke Magnetfelder gehemmt werden", so Jirovec. Die Supraleiter ermöglichen aufgrund ihrer quantenmechanischen Natur die Verknüpfung mehrerer Qubits. So könnten durch die Kombination von Halbleiter und Supraleiter neuartige Quantencomputer gebaut werden.

Das Autorenteam geht davon aus, dass diese neue Art einer Qubit-Realisierung auch wegen der 150 Mikrosekunden langen Lebensdauer sowie der hohen Verarbeitungsgeschwindigkeit von bis zu einhundert Millionen Operationen pro Sekunde in Sachen Quantencomputing vielversprechend ist. (APA, red, 16.6.2021)