Etwa 250 Aktivistinnen und Aktivisten veranstalteten Ende Mai 2019 eine Straßensitzblockade bei der Wiener Urania. Der darauffolgende Polizeieinsatz wird bis heute juristisch aufgearbeitet.

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Jener Polizist, der am Dienstag nicht rechtskräftig zu einer bedingten Haftstrafe von einem Jahr verurteilt wurde, ist nach wie vor im Dienst, und zwar in Tirol. Dort ist er als "dienstführender Beamter auf einer Polizeiinspektion" tätig, wie die Landespolizeidirektion (LPD) Tirol auf STANDARD-Anfrage mitteilte. Der Polizist wurde wegen Amtsmissbrauchs und falscher Beweisaussage verurteilt. Er nahm am Rande einer Demo vor zwei Jahren den als Beobachter anwesenden Aktivisten Anselm Schindler fest – und das ohne Grundlage, wie das Gericht befand. Bekannt wurde der Vorfall, weil dem Betroffenen bei der Festnahme fast ein Polizeibus über den Kopf gerollt war.

Ob es für den Beamten auch disziplinarrechtliche Folgen geben wird, ist noch offen. Eine disziplinarrechtliche Prüfung erfolge erst, wenn das Urteil rechtskräftig ist, heißt es seitens der LPD. Vorläufige Konsequenzen wie eine Suspendierung gebe es nicht. Grundsätzlich darf der Beamte weiterhin Dienst versehen. Würde seine Strafe ein Jahr übersteigen, würde er automatisch sein Amt verlieren. Die Richterin sprach bei der Urteilsbegründung zwar davon, dass 15 Monate eigentlich angemessen wären – drei Monate wurden ihm aber aufgrund der langen Verfahrensdauer nachgesehen.

Beschädigtes Vertrauen

Das Disziplinarrecht bietet in diesem Fall laut Experten die Möglichkeit für weitere Konsequenzen. Das werde nämlich dann möglich, wenn der Beamte mit seinem Verhalten das Vertrauen der Allgemeinheit beeinträchtigt hat, sagt Rechtsanwältin Daniela Krömer. In der Vergangenheit sei es bei Amtsmissbrauch durchaus immer wieder zu Disziplinarstrafen gekommen. Das zeigt etwa ein Fall aus dem Jahr 2020, als ein Beamter wegen Amtsmissbrauchs und Körperverletzung verurteilt wurde. Die Disziplinarkommission verhängte daraufhin eine Strafe von 13.000 Euro.

"Man überprüft, ob hier ein sogenannter disziplinärer Überhang besteht: also, vereinfacht gesagt, ob der Beamte mit dem Verhalten, für das er verurteilt worden ist, nicht nur gegen strafrechtliche Normen, sondern auch gegen allgemeine Dienstpflichten verstoßen hat", erklärt Krömer.

Andere Maßnahmen

Als Dienstgeber, in diesem Fall der Staat, gehe es einem ja darum, zu sagen: "Ich möchte eine Sanktion setzen, die wirkt, damit so ein Verhalten nicht noch einmal gesetzt wird. Oder man sagt: Die Verfehlung war so gravierend, dass keine weitere Zusammenarbeit mehr möglich ist."

Die Bandbreite reicht von einem Verweis über eine Geldbuße bis zur Entlassung. Letzteres wäre theoretisch auch im aktuellen Fall möglich, gilt aber als unwahrscheinlich. Im Gegensatz dazu werden aber bei Amtsmissbrauch auch sehr milde Strafen "wohl nicht in Betracht kommen", sagt Verwaltungsjurist Peter Bußjäger. Zu rechnen sei mit einer Geldstrafe im Ausmaß von "mehreren Monatsbezügen". Die Entscheidung kann dann auch angefochten werden.

Für einen Polizisten handle es sich jedenfalls um eine "schwerwiegende Verurteilung", sagt Bußjäger. Abseits von etwaigen Disziplinarstrafen seien auch andere Maßnahmen möglich, die von der Dienstbehörde ergriffen werden können, wie etwa die Versetzung in den Innendienst. Eine Suspendierung schloss die LPD ja wie erwähnt aus.

Weitere Ermittlungen

Schindlers Rechtsanwalt Clemens Lahner hofft, dass der Fall Signalwirkung hat: "Auch die Polizei muss sich an das Gesetz halten", sagt er.

Im Zusammenhang mit dieser Demo wird noch gegen sechs Beamte ermittelt. Dem Busfahrer wurde seitens der Staatsanwaltschaft eine Diversion angeboten, welche er ablehnte. Ein Strafantrag wegen Gefährdung der körperlichen Sicherheit lag schon vor. Nun gibt es aber einen neuerlichen Anlauf für eine Diversion, wie vom zuständigen Gericht zu erfahren war. (Vanessa Gaigg, 16.6.2021)