Dass mittlerweile die ÖVP selber beim Leaken von für ihre Protagonisten peinlichen Chat-Nachrichten vorprescht, um der auf die Veröffentlichung folgenden Debatte einen "Alles nicht so schlimm, machen alle anderen auch, is halt so in der Politik"-Spin vorzugeben, hat unter anderem zur Folge, dass die inhaltliche Relevanz der Chats immer öfter vernebelt wird. Dabei wirken auch ihre Autoren eifrig mit.

Christian Pilnacek war als eine Art Hausdurchsuchungsberater für ins Visier der WKStA geratene Prominenz aktiv.
Foto: APA/HERBERT NEUBAUER

So erklärte Christian Pilnacek, er könne sich seine eigenen "abstoßenden Worte nicht erklären", weil diese "im völligen Widerspruch" zu seiner "bisherigen und langjährigen Arbeit im Dienst der Rechtspflege" stünden. Das sich in Pilnaceks Nachrichten offenbarende Hauptproblem sind allerdings nicht "abstoßende Worte", sondern sein Verständnis von "Arbeit im Dienst der Rechtspflege". Dieses Verständnis äußerte sich bei ihm in letzter Zeit vor allem als Bemühen um Sabotage. Es galt, die Arbeit der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft unter Zuhilfenahme von Dienstaufsichtsbeschwerden, Anzeigen, Diffamierungen und Intrigen zu behindern.

Mit "Das kann man sich nicht mehr gefallen lassen!!!" und "Wir müssen auch einmal aktiv werden; Accounts der WKStA sichern!" begründet der bis vor kurzem mächtigste Beamte im Justizministerium sein Dirty Campaigning gegen seine eigenen Mitarbeiter. Das wirkt wie der Oberkellner eines renommierten Restaurants, der aus Empörung über die hohe Qualität der Küche in die servierten Speisen spuckt. Oder ein Teamchef Franco Foda, der an ÖFB-Präsident Leo Windtner schreibt: "Dieser Alaba bereitet eigenmächtig Tore vor. Das kann man sich nicht mehr gefallen lassen!"

"Schredder-Affäre"

Darüber hinaus war Pilnacek als eine Art Hausdurchsuchungsberater für ins Visier der WKStA geratene Prominenz aktiv. "Wer vorbereitet System Pilnacek auf Game over?", habe ich an dieser Stelle vor zwei Monaten gefragt. Nun stellt sich die Frage, wie sich die ÖVP auf dieses "Game over" vorbereitet.

Als inspirierend könnte sich hier eine Begebenheit erweisen, die zuvor für einen massiven Konflikt zwischen Pilnacek und den Korruptionsbekämpfern gesorgt hatte. Im Zuge der "Schredder-Affäre" sollte ausgerechnet der zuvor von der WKStA als ÖVP-Gemeinderatskandidat geoutete Beamte Niko R. Beweismaterial in der ÖVP-Parteizentrale sichern. Dazu kam es aber nicht, denn R. erklärte, dass Kanzlerberater Stefan Steiner die Polizisten vom Fenster aus schon am Ein-gang gesehen hätte und somit davon auszugehen war, dass belastende Daten sicherlich schon beseitigt worden seien. Daher hätte ein weiteres Einschreiten der Polizei wenig Erfolg versprochen.

Der bloße Anblick Steiners führte also dazu, dass die Beamten wieder abzogen. Und genauso könnte das mit Christian Pilnacek funktionieren. Einfach den sus-pendierten Sektionschef nach dem Prinzip der Vogelscheuche als Korruptionsermittler-Scheuche ins Fenster stellen, und schon wissen Hausdurchsucher: "Hier ist nix mehr zu holen."

Da Pilnacek nicht überall, wo Hausdurchsuchungen drohen, gleichzeitig sein kann, lautet mein Vorschlag: ein für Ermittler gut sichtbares, nach dem Vorbild von Vogelschutz-Klebebildern auf Fensterscheiben gestaltetes Pilnacek-Klebebild. (Florian Scheuba, 17.6.2021)