Die Covid-19-Pandemie zeigt deutlich, wie wichtig die regelmäßige Beobachtung von Tierpopulationen ist, mit denen der Mensch in engen Kontakt kommen kann. Und gerade die Fledermaus ist durch die potenzielle Übertragung von Sars-CoV-2 auf Menschen in den Fokus gerückt. Ein Forschungsteam der Universität Zürich untersuchte nun, welche Viren in den Fledermäusen nachweisbar sind, die in der Schweiz leben.

Die flugfähigen Wirbeltiere sind bereits bekannt dafür, gar tausende verschiedene Viren transportieren zu können. Einige dieser Viren können direkt oder über einen Zwischenwirt Menschen infizieren. Zu solchen zoonotischen Viren zählen nicht nur verschiedene Coronaviren, sondern auch die Tollwut-, Marburg-, Ebola-, Nipah- und Hendra-Viren.

Das Team um Cornel Fraefel und Jackub Kubaki vom Virologischen Institut der Universität Zürich machte sich nun gemeinsam mit der Klinik für Zoo-, Heim- und Wildtiere am Tierspital Zürich und der Stiftung Fledermausschutz auf die Suche nach Viren, denen Fledermäuse in der Schweiz als Reservoir dienen.

39 verschiedene Virusfamilien

Dafür untersuchte die Forschungsgruppe Kot- und Gewebeproben von 7.291 Fledermäusen, die zu 14 verschiedenen Fledermausarten gehörten, mittels Genomanalysen. In den Proben wiesen die Forschenden 39 unterschiedliche Virusfamilien nach, wie sie im Fachmagazin "PLoS One" berichten. Besonders reich an Viren war demnach das Große Mausohr mit 33 Virusfamilien.

Besonders viele Virusfamilien beherbergte das Große Mausohr (Myotis myotis).
Foto: Kubista, Boku

In der Sammlung fanden sich 16 Virusfamilien, die Wirbeltiere infizieren können, darunter Coronaviren, Adenoviren, Hepeviren, Rotaviren und Parvoviren. So entdeckten die Forschenden in einer Kolonie von Zweifarbfledermäusen ein Beta-Coronavirus, das dem Mers-Erreger ähnelt und bereits in anderen europäischen Ländern nachgewiesen wurde.

Laut Virologen kein Risiko für Menschen

Die Atemwegserkrankung Middle East Respiratory Syndrome (kurz Mers) trat erstmals im Jahr 2012 in Saudi-Arabien auf, wo das Virus wahrscheinlich von Fledermäusen über Kamele auf den Menschen übergesprungen war. Die Sterblichkeitsrate unter den Infizierten liegt bei rund 35 Prozent.

Das in den Schweizer Fledermäusen entdeckte Mers-ähnliche Virus infiziere Menschen allerdings nicht. Zudem sei bisher noch von keinem Coronavirus bekannt, dass es ohne Umweg über einen Zwischenwirt von der Fledermaus auf den Menschen übergesprungen sei, sagte Fraefel im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA: "In unseren Augen besteht überhaupt kein Risiko."

Unerwartet: weder Herpes, noch Tollwut

Es ist zwar nicht ausgeschlossen, dass das Virus den Weg in einen Zwischenwirt findet, dort mutiert, virulenter wird und schließlich als Krankheitserreger auf den Menschen überspringt. Aber der Kontakt zwischen Fledermäusen, anderen Wildtieren und Haustieren sei in der Schweiz viel geringer als etwa in Asien, sagte Fraefel.

Im Rahmen einer Folgestudie möchten die Virologen untersuchen, wie sich Mutationen im Genom des Mers-ähnlichen Virus unter natürlichen Bedingungen in der Kolonie der Zweifarbfledermäuse akkumulieren. Zudem werden sie weiterhin Kot- und Gewebeproben untersuchen, um ein noch umfassenderes Bild des Fledermaus-Viroms der Schweiz zu erhalten. Erwartet hatten die Forschenden nämlich, etwa auch auf Herpes- oder Tollwutviren zu stoßen. Von Letzteren wird aufgrund einer früheren Studie angenommen, dass sie in einheimischen Fledermäusen vorkommen. (red, APA, 17.6.2021)