Biden und Putin in Genf.

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Der große Durchbruch, der unter Girlanden zelebrierte Neustart nach den heftigen Irritationen der jüngeren Vergangenheit, nichts davon stand in Genf auf dem Programm. Joe Biden und Wladimir Putin wollten ausloten, wo man kooperieren kann und wo die Interessenunterschiede so markant sind, dass alles andere als eine frostige, gleichwohl geregelte Beziehung auf absehbare Zeit Illusion bleiben muss. Beide wollten den jeweils anderen ohne diplomatische Schnörkel wissen lassen, was man an seiner Politik kritisiert und was man von ihm erwartet.

Nein, mit übertriebenen Hoffnungen ist dieser Gipfel gewiss nicht überfrachtet worden. Das Ziel war, Brandmauern einzuziehen, damit ein Feuer, wenn es denn ausbricht, nicht zu einem Flächenbrand führt. Denn an Konfliktstoff mangelt es nicht, sei es in Osteuropa, sei es im Nahen Osten, sei es beim Thema Cyber-Attacken. Weder Biden und Putin, das machten beide hinterher vor der Presse deutlich, haben ein Interesse an einer Eskalation. Beide verzichteten auf persönliche Attacken, wie sie noch vor Kurzem für Schlagzeilen gesorgt hatten. Erfahren, konstruktiv, sachlich im Ton – das waren die Attribute, mit denen man einander lobte.

Wenn es ein konkretes Ergebnis gibt, dann ist es wohl die angepeilte Gründung einer bilateralen Expertengruppe, die über strategische Waffen der Zukunft reden soll. In der erklärten Absicht, einen neuen Rüstungswettlauf zwischen den beiden größten Atommächten der Welt zu verhindern. Wenn Biden ausdrücklich hinzufügt, man werde in drei bis sechs Monaten sehen, ob der Dialog zwischen den Fachleuten funktioniere, steht dies wohl exemplarisch für den sehr, sehr vorsichtigen Optimismus, mit dem er die Dinge sieht. Es gehe nicht darum, ob er Putin vertraue, betont er. Es gehe darum, dass jede Seite im wohlverstandenen Eigeninteresse handle. Nüchterner – und treffender – kann man ihn kaum analysieren, den Zustand russisch-amerikanischer Beziehungen. (Frank Herrmann, 16.6.2021)