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Im August 2020 kam es zu massiven Protesten gegen Langzeit-Machthaber Alexander Lukaschenko. Auf dem Höhepunkt der Proteste wurde das Internet gesperrt, über das sich Demonstranten zuvor organisiert hatten.

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Minsk/Wien – Gerichtsdokumente werfen Fragen zur genauen Rolle auf, die 2020 die belarussische Tochter von A1 bei Internetsperren in Belarus gespielt hat. Sie stehen in einem wichtigen Detail auch im Widerspruch zu einem offenen Brief von A1-CEO Thomas Arnoldner, der sich vergangene Woche verwundert über eine NGO-Demonstration vor der Konzernzentrale in Wien gezeigt hatte.

Unterschiedliche Begründung

"Es ist bekannt, dass uns als Unternehmen in Belarus der Zugang zum Internet mangels Bereitstellung von Kapazitäten seitens der staatlichen Monopolisten landesweit eingeschränkt wurde", begründete A1-Chef Arnoldner die Internetsperren im vergangenen Jahr. Vor einem Minsker Gericht brachte A1 Belarus im vergangenen Jahr die Sperren hingegen mit ausländischen DDoS-Attacken in Verbindung, über die staatliche Internetprovider berichtet hatten.

"Die Analyse hat massenhafte DDoS-Attacken auf die Infrastruktur von belarussischen Providern bestätigt", schrieb die Juristin von A1 Belarus in einer der APA vorliegenden Gegendarstellung vor Gericht. Sie wiederholte damit die Erklärung des Regimes, das für die damaligen Internetprobleme das Ausland verantwortlich gemacht hatte. Experten gingen unisono jedoch von einem staatlichen Kappen von Verbindungen sowie erzwungener Unterstützung durch private Telekomprovider aus.

Auf Ersetzung des "moralischen Schadens" geklagt

"Unsere Juristin konnte sich im Gerichtsverfahren nur auf diese offiziell veröffentlichten Aussagen beziehen, da wir etwaige andere Gründe oder Ursachen nicht beweisen können und wir keinen Einblick in die technischen Abläufe bei anderen Anbietern haben", begründete ein A1-Sprecher den Unterschied. Man könne die Zweifel von Experten an DDoS-Attacken aus dem Ausland als alleiniger Ursache der Sperren nachvollziehen, könne dies jedoch mangels anderer Beweise nicht widerlegen, betonte er.

Hintergrund der Gegendarstellung war die Klage von zehn Kunden, die A1 Belarus unter anderem auf Ersetzung eines "moralischen Schadens" für Internetsperren im August 2020 verklagt hatten. Im aktuellen politischen Kontext wenig überraschend wies eine Minsker Richterin alle Beweisanträge der Kläger ab und vermied dadurch, dass Details über die genaue Rolle von A1 Belarus bei den damaligen Vorgängen offengelegt hätten werden müssen. Ende November 2020 folgte das Gericht schließlich der Rechtsmeinung von A1, dass die Klage zurückzuweisen sei.

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Das belarussische Regime ging mit aller Härte gegen Demonstranten vor.
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Die Gerichtsverhandlung war selbst unter Ausschluss der Öffentlichkeit gelaufen – das Gericht hatte einem diesbezüglichen Antrag von A1 zugestimmt. "Da in dieser Verhandlung vertrauliche Vertragsdetails mit anderen Betreibern und anderen Vertragspartnern offenzulegen waren, wurde dieses Recht in Anspruch genommen", begründete der A1-Sprecher. In der APA vorliegenden Dokumenten zur Klage finden sich keine vertraulichen Vertragsdetails, die offengelegt hätten werden können.

A1 habe Kunden für Ausfälle entschädigt

In seinem offenen Brief hatte A1-CEO Arnoldner vergangene Woche betont, dass man als einziger Anbieter in Belarus Einschränkungen immer angekündigt und transparent gemacht habe, auch seien Kunden für die Ausfälle entschädigt worden. Seit einer letzten diesbezüglichen Anordnung im November 2020 sei es auch zu keinen weiteren Sperren mehr gekommen, betonte er. Ein A1-Sprecher erzählte der APA am Mittwoch, dass die transparente Informationspolitik von A1 bei Kunden in Belarus sehr positiv aufgenommen worden sei.

Nach Ansicht der auf digitale Rechtsfragen spezialisierten österreichischen NGO "Epicenter.works", die am Mittwochabend eine Demonstration vor der Wiener Firmenzentrale organisierte, sind Fragen zu Internetsperren des vergangenen Jahres und ihrer Umsetzung jedoch offen geblieben. Man wolle bei der Demonstration Indizien präsentieren, die auf eine aktive Mithilfe von A1 bei Internetsperren hinweisen, erklärte Epicenter-Works-Geschäftsführer Thomas Lohninger der APA.

Ruf nach Transparenz

Insbesondere sollen Analysen eines französischen Informatikers präsentiert werden, der davon ausgeht, dass A1 Belarus die Deep-Packet-Inspection-(DPI-)Technologie einsetzt, um auf Anordnung des Regimes den Internetverkehr zu filtern.

Er wolle Aufklärung darüber verlangen, wie weit die Verstrickungen von A1 mit der Regierung in Belarus reichen, sagte Lohninger. "Dazu müssen Anordnungen über Sperren und Auskunftsersuchen veröffentlicht werden", sagte er. Auch müsse geklärt werden, welche Maßnahmen A1 seit den Demokratieprotesten gesetzt hat und ob Daten von Demoteilnehmern oder Oppositionellen an Behörden übergeben wurden, forderte der Aktivist. (APA, 17.6.2021)