Die Künstlerin Veronika Dirnhofer wohnt im niederösterreichischen Pyhra. Aus dem alten Bauernhaus wurde in 23 Jahren ein orchestriertes Chaos, in dem es viel zu schauen gibt. Der nächste Umbau steht an.
"Mein Mann und ich haben auch eine Wohnung in Wien, im 20. Bezirk, um genau zu sein, und ja, ich liebe die Großstadt. Aber nach ein paar Tagen fällt mir die Decke auf den Kopf, und ich bekomme Sehnsucht nach der Natur und der unverbauten Weite, die ich hier in Niederösterreich habe.
Die Landschaft ist nicht wirklich spektakulär, es gibt Hügel, Wiesen, Wälder, aber die Offenheit hier oben erlaubt mir, ganz bei mir zu sein. Im Sommer stehen die Türen die ganze Zeit offen, ich wandere hin und her zwischen drinnen und draußen, zwischen Wohnung und Atelier, zwischen Leinwand im ersten Stock und Töpferscheibe im Garten. Wenn das Wetter schön ist, hänge ich die Bilder zum Trocknen auf die Wäscheleine.
Das Haus liegt auf einer Hügelkuppe in Pyhra, nicht weit von St. Pölten entfernt. Gefunden habe ich es vor 23 Jahren, als ich damals von meinen Eltern eine Art vorgezogene Erbschaft bekommen habe. Eigentlich habe ich eine Wohnung in Wien gesucht, aber mit dem verfügbaren Budget und den gleichzeitig hohen Raumansprüchen bin ich nicht fündig geworden. Und dann bin ich auf eine Annonce in der Zeitung gestoßen: ‚Bauernhaus ohne Komfort‘. Ha! Das war’s! Komfort gab’s wirklich keinen, eine einzige Katastrophe, aber dafür jede Menge Freiheit und Fantasie.
Es gab einen 26 Meter tiefen Brunnen und sonst nix. Kein Klo, kein fließendes Wasser, und wirklich ziemlich alte Elektroleitungen. Der erste Umbauschub hat circa ein Jahr gedauert und hat sich vor allem auf den Wohnbereich im Erdgeschoß beschränkt. Als im Winter 2005/2006 so richtig viel Schnee gefallen ist und das Dach über der ehemaligen Bauernstube schon gekrächzt hat und in der Tat einsturzgefährdet war, haben wir uns entschieden, den Dachstuhl zu entfernen und oben im ersten Stock ein Atelier zu bauen. Zeichnen, Malen und Töpfern mit Blick auf die gegenüberliegenden Hügel – ich glaube, davon könnte ich mich nie wieder trennen.
Aber jetzt steht wieder ein dringender Umbau an, denn wir wohnen hier schon seit Jahren mit Siebenschläfern, die zwar sehr süß, aber auch sehr hungrig sind. Einen Teil der Holzkonstruktion haben sie schon weggeknabbert. Eines Tages hat es in der Küche unter der Abwasch geknistert, und als ich das Kastl aufgemacht habe, hat mich mit ziemlich großen Augen ein ziemlich verwundertes Nagetier angeschaut.
Wir wohnen und arbeiten hier auf knapp 400 Quadratmetern, die wir uns im Lauf der Jahre zusammengebastelt haben. Wir – das sind mein Mann und ich, unsere beiden Töchter, die immer wieder auf Besuch kommen, sowie ein junger Mann aus Afghanistan, den wir vor einigen Jahren aufgenommen haben. Schön langsam zieht es ihn nach Wien, ich glaub, er hat jetzt genug vom Leben auf dem Land.
Das meiste hier, muss ich gestehen, ist schon eher meine Handschrift, weil ich hier auch am meisten Zeit verbringe. Mein Mann – Josef Jakob, er ist Architekt – würde sich ehrlich gesagt nach etwas mehr Schlichtheit sehnen. Ich bin in einem sehr aufgeräumten, perfekt geputzten Zuhause aufgewachsen, in dem nie irgendetwas irgendwo herumstehen durfte.
Letztendlich hat die Erziehung das Gegenteil bewirkt. Ich liebe es, Dinge zu kombinieren, zusammenzustellen, zu stapeln und irgendwie chaotisch zu inszenieren. Ein orchestriertes Chaos aus Möbeln und Kunstwerken, es passt nichts mit nichts zusammen, und trotzdem empfinde ich die Collage am Ende als sehr stimmig. Ich schaue mich in der Wohnung gern um und greife die Sachen, die da herumstehen, jeden Tag an. Schauen tut man ja mit den Händen, muss man wissen.
Wenn am Wochenende Josef wieder heimkommt, steht wieder mehr Zeug herum als am Wochenende zuvor. Der Arme! Jetzt haben wir den Entschluss gefasst, die Scheune im Erdgeschoß auszubauen und darin ein schlichtes, elegantes Atelier mit weißen Wänden zu errichten. Das soll dann wirklich ein schöner, leerer Raum werden. Mein Mann hegt Hoffnung, dass uns das Projekt gelingt. Das ist zumindest der Plan." (21.6.2021)