Eine Aufnahme vom Verhandlungsort, dem Grand Hotel, als im April eine Runde der Atomgespräche stattfand.

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Eigentlich wollten Gegner des iranischen Regimes ab 12. Juni jeden Tag von 9 bis 18 Uhr am Kärntner Ring 10 demonstrieren. Der Grund: Unweit entfernt, am Kärntner Ring 9, laufen aktuell die Iran-Atomgespräche – es ist die sechste Runde der Gespräche über eine Wiederbelebung des Abkommens, das die Kapazität des Iran zur Urananreicherung für den Bau einer Atombombe begrenzt.

Doch die Demonstrierenden sind zu laut. Das hält die Landespolizeidirektion Wien in einem Bescheid, der dem STANDARD vorliegt, fest: "Die in unmittelbarer Nähe stattfindenden JCPOA-Gespräche wurden durch die von den Versammlungen ausgehenden Lärmemissionen erheblich gestört", heißt es da, zahlreiche Beschwerden der Mitglieder der Kommission seien aktenkundig. Die Lärmemissionen seien sogar derart hoch, dass sie "von sämtlichen Teilnehmern als Einschüchterung und psychische Belastung empfunden" werden.

Eine Straße, drei Dutzend Demonstrierende

Ein Lokalaugenschein des "Falter" zeichnet da allerdings ein ganz anders Bild: Anrainer erzählten dem Wochenblatt von meist bloß einer Handvoll Demonstrierender, jedenfalls nie mehr als drei Dutzend. Oft habe man die Kundgebungen gar nicht bemerkt, erzählt man in der Innenstadt. Die Ringstraße, die die Hausnummern 9 und 10 trennt, ist übrigens eine mehrspurige und vielbefahrene Verkehrsader.

Von der Polizei heißt es auf Anfrage zum STANDARD, die Behörde habe "bei einer Untersagung die Interessen des Versammlungsveranstalters an der Abhaltung der Versammlung mit den öffentlichen Interessen am Unterbleiben der Versammlung abzuwägen" – und man sei eben zum Entschluss gekommen, dass die "Beeinträchtigungen für die Öffentlichkeit weit schwerer wiegen als die Interessen des Veranstalters". Auch im Bescheid wird darauf verwiesen, dass eine Störung der Verhandlungen unabsehbare Folgen haben könnte.

Im Bescheid heißt es außerdem, die Veranstalter hätten angegeben, dass sie "mit einer Verlegung des Versammlungsortes von Kärntner Ring 10 an einen anderen Ort nicht einverstanden sei und die Ausfertigung eines Untersagungsbescheides verlange".

Grüne Abgeordnete kritisiert Intervention

Dem allen voran ging eine Stellungnahme des Außenministeriums, in der es heißt, dass der Lärm das Konferenzgeschehen beeinträchtigen würde, daher habe der Verhandlungsleiter der EU "das dringende Ersuchen an den österreichischen Gastgeber gerichtet, die Rahmenbedingungen der Verhandlungen diesbezüglich zu verbessern".

Regimegegner sehen darin eine unzulässige Intervention: "Das ist ein Versuch, die Opposition zu neutralisieren und zum Schweigen zu bringen", heißt es vom Nationalen Widerstandsrat Irans (NWRI). Auf dessen Seite stellt sich nun auch die grüne Nationalratsabgeordnete Ewa Ernst-Dziedzic. "Menschenrechtsaktivist*innen den Mund zu verbieten, um den Wünschen von Vertretern eines Regimes zu genügen, das Menschenrechte permanent mit Füßen tritt, ist moralisch verwerflich und zudem eine Anbiederung, die das offizielle Österreich wirklich nicht nötig hat", wird sie am Donnerstag in einer Aussendung zitiert.

Auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International kritisiert die Causa heftig. Sie hält fest, "dass die Untersagung von Versammlungen immer eine Ultima Ratio sein muss. Die Störung durch Lärm an sich ist kein ausreichender Grund für eine Untersagung und verletzt das Recht auf friedliche Versammlung." (elas, 17.6.2021)