Endstation Karlsplatz.

Foto: Christian Fischer

Dass uns "Roaring Twenties" bevorstehen, geistert als These durch journalistische Think-Pieces. Analog zu den 1920ern, die durch das Ende der Spanischen Grippe eingeläutet worden waren, sollte sich jetzt also dekadente Party einstellen. Aus rein journalistischem Interesse wollte ich dem nachgehen.

Erster Stopp: eine Vernissage eines stadtbekannten Künstlers, eigentlich Garant für Exzess. Als wir dort um 20 Uhr aufschlugen, roarte allerdings gar nichts mehr. Die verbliebenen fünf Hansln tranken nicht einmal Wein, unterhielten sich gesittet und zerstreuten sich bald. Also weiter zum neu eröffneten Lokal von Martin Ho, über den man vieles sagen kann, aber nicht, dass er nicht feiern kann. Leider wiesen uns die Securitys an der Tür ab: "Pre-Opening mit Gästeliste." Wieder nichts mit Goldenen Zwanzigern für uns.

Endlich wieder Teenie

Endstation Karlsplatz, wo erste Indizien sichtbar wurden, dass an den Roaring Twenties doch was dran sein könnte. Neue Freundschaften wurden geschlossen, Dosenbiere und lüsterne Blicke ausgetauscht, rundherum schmusten Paare dermaßen animiert, dass man eigentlich von Kannibalismus sprechen musste. Um drei Uhr morgens wurde uns bewusst, dass wir in vier Stunden wieder arbeiten müssen.

Um 10.00 kam die Nachricht meiner Freundin, Juristin: "Scheiße, ich bin gerade in Unterhose durch eine Videokonferenz mit der Finanzmarktaufsicht gelaufen." Daran, dass die Roaring Twenties zwar zurück, wir aber keine Teenies mehr sind, haben wir halt nicht gedacht.(Amira Ben Saoud, 18.6.2021)