Wie normal wird der Sommer für Kinder?
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Es ist ein großes Aufatmen, das durch die Gesellschaft geht. Noch kann man es kaum glauben, aber es scheint tatsächlich so, als ob uns die Covid-19-Pandemie zumindest eine Pause gönnt, die Inzidenzzahlen sind so niedrig wie zuletzt im vergangenen August. Mit der weiter fortschreitenden Immunisierung der Bevölkerung durch die Impfung dürfte einem relativ unbeschwerten Sommer vorerst nichts im Wege stehen. Doch eine Gruppe kann davon noch gar nicht profitieren: die Kinder. Wir haben deshalb Experten um ihre Einschätzung der Situation gebeten.

Das Problem: Für alle unter zwölf Jahren gibt es vorerst keine Impfung – und das wird auch noch eine Weile so bleiben. Zwar laufen in den USA erste Zulassungsstudien für Zwei- bis Elfjährige mit dem Biontech/Pfizer-Vakzin. Und auch die Unternehmen Moderna, Johnson & Johnson und Astra Zeneca planen Studien oder führen diese bereits durch. Doch bis ein sicheres Vakzin zugelassen ist, können noch viele Monate vergehen. Das bestätigt auch die Kinderärztin Monika Resch von der Privatklinik Goldenes Kreuz. Dennoch sieht sie aktuell keine Gefahr für Cluster-Bildungen beim Nachwuchs: "Schulkinder werden im Moment dreimal pro Woche getestet, das ist viel häufiger als die meisten Erwachsenen. Damit gehören sie zu den am besten gemonitorten Gruppen Österreichs."

Geburtstag feiern wieder erlaubt

Besonders bei Outdoor-Programmen jeder Art muss man keine großen Bedenken haben, so Resch. Auch Zusammentreffen wie etwa Geburtstagsfeiern sind für sie in Ordnung: "Es ist gut, dass die Kinder wieder die Möglichkeit für solche Feste bekommen, die enorm wichtig für ihre soziale Entwicklung sind. Denn sie haben in der Pandemie mit am meisten unter den Restriktionen gelitten. Und gerade im Sommer macht es ja umso mehr Spaß, so eine Party draußen zu feiern."

Sollte doch Indoor-Programm angesagt sein, etwa wegen Schlechtwetters, empfiehlt sie die gleichen Vorsichtsmaßnahmen wie bereits jetzt in der Schule – also Hände waschen und testen: "Die Kinder sind mittlerweile so gewöhnt daran, sie machen das im Normalfall ohne Probleme und ganz spielerisch. Sollte also eine Gruppe in geschlossenen Räumen zusammenkommen, empfehle ich unbedingt, dass sich alle vorher testen. Denn Abstand halten, das ist einfach nicht realistisch."

Weniger gut sieht es da bei den ganz Kleinen aus, die das Schulalter noch nicht erreicht haben: "Diese Altersgruppe ist wirklich schlecht gescreent, obwohl es mit dem Lollipop-Test, bei dem ein Lolli 90 Sekunden lang gelutscht wird, eine sehr einfache Möglichkeit gibt. Ich sehe auch, dass die Kinder das ganz unkompliziert annehmen", betont Resch. Das Problem ist, dass eine Infektion in dieser Altersgruppe meist symptomlos und damit unbemerkt verläuft.

Derzeit werden vor allem jene Kleinen getestet, deren Eltern infiziert sind. Mit den aktuell so niedrigen Fallzahlen ist das kein Problem, aber sollten die Infektionen wieder ansteigen, wie es ja für den Herbst befürchtet wird, ist Vorsicht geboten. Resch hofft, dass dann die Lollipop-Tests auch in dieser Altersgruppe breit eingesetzt werden.

Und wie sieht es mit der Urlaubsplanung aus? Da empfiehlt die Kinderärztin, vorab die Fallzahlen in der Region zu prüfen und im Zweifelsfall die Pläne auch kurzfristig zu ändern. Eine Flugreise ist für sie übrigens unbedenklich: "Im Flieger sitzen nur geimpfte, genesene oder getestete Passagiere, und alle tragen eine Maske. Da ist die Ansteckungsgefahr wirklich äußerst gering."

Impfung für die Kleinen?

Bleibt die Frage, ob eine Impfung für Kinder zu empfehlen ist, damit eine größere Herdenimmunität erreicht wird. Kommen wird sie definitiv, vielleicht sogar schon bis Jahresende. Mit einer Einschätzung derselben halten sich die Experten aber noch sehr zurück. Resch, die selbst auch Mutter von Kindern in dieser Altersgruppe ist, betont: "Da muss es im Vorfeld sehr aussagekräftige Studien geben. Denn das ist eine ganz neue Impfung für eine sehr vulnerable Patientengruppe."

Die Kinderärztin wird sehr häufig von besorgten Eltern auf dieses Thema angesprochen: "Momentan kann ich darauf nicht qualifiziert antworten. Auch die Meinungen in der Kollegenschaft sind geteilt. Vorsicht vor einem neuen Vakzin und das Bedürfnis nach Sicherheit der Kinder sind da im Zwiespalt. Natürlich möchte ich, wie jede andere Mutter, meine Kinder schützen. Und eine sichere Impfung ist die beste Methode. Zum Glück handelt die EMA, die Europäische Arzneimittel-Agentur, sehr korrekt. Ich habe großes Vertrauen zu dieser Institution, da ich weiß, wie genau die Ethikkommission vorgeht, dass nur eine absolut sichere Datenlage Voraussetzung für eine Zulassung ist."

Das bestätigt auch Miranda Suchomel, Hygienikerin an der Med-Uni Wien: "Wenn ein sicheres Vakzin zugelassen wird, werde ich meine Kinder wahrscheinlich impfen lassen. Ich orientiere mich an den Empfehlungen der Stiko, der Ständigen Impfkommission in Deutschland. Von der gibt es aber derzeit noch eine ausdrückliche Nichtempfehlung." Es gilt also abzuwarten, was die laufenden Studien für Erkenntnisse bringen.

Gemeinsame Zeit

Die Lebenswelt der Kinder war in den vergangenen Monaten stark eingeschränkt. Deshalb empfiehlt Eva Mosar-Mischling, Vizepräsidentin des Berufsverbands Kinderkrankenpflege Österreich (BKKÖ), den Sommer zur Stärkung der Familiengesundheit zu nutzen. Also gemeinsam Zeit verbringen, die leeren Batterien aufladen, in die Natur gehen, Spaß haben und entspannen. "Selbst wenn der Nachwuchs in Lerncamps Versäumtes nachholt, die Freizeit darf auf keinen Fall zu kurz kommen. Und in der ist ganz viel Bewegung angesagt. Zuletzt haben einfach alle zu viel Zeit vor dem Computer verbracht", betont Mosar-Mischling.

Entspanntes Reisen

Ansteckungen passieren hauptsächlich in geschlossenen Räumen. Deshalb empfiehlt Miranda Suchomel, Associate Professor für Hygiene an der Med-Uni Wien, Outdoor-Programm wie Spielplatz, Baden, Kletterpark und mehr: "Das halte ich für ungefährlich. Indoor-Aktivitäten sehe ich nicht viel anders als die Schulsituation, wo jetzt auch die Maske gefallen ist." Entspannt sieht Suchomel auch das Reisen: "Ich denke, dass die Maskenpflicht noch eine Zeit bestehen bleibt. Obwohl gerade da durch Impfnachweis oder negatives Testergebnis die Wahrscheinlichkeit von positiven Mitreisenden äußerst gering ist."

Raus in die Natur

Als dezidierter Outdoor-Fan empfiehlt die Sportwissenschafterin Iris Floimayr-Dichtl, dass Kinder möglichst viel draußen sein sollen. Sie bietet Outdoor-Workouts für Schwangere, Mamas und Frauen an. "Es geht darum, die Natur mit allen Sinnen zu erfahren, sich da gut zu spüren und Spaß zu haben. Der Sommer bietet sich an, um seinen Kindern zu zeigen, was für ein schönes und vielseitiges Land Österreich ist." Floimayr-Dichtl setzt auf Camping- oder Wanderurlaub, den Besuch von Outdoorparks, Lagerfeuerabende und Urlaub in Apartmentwohnungen. "So gelingt es, als Familie wieder Glücksmomente zu sammeln."

Gutes Vorbild

Besonders wichtig ist für Martina Bienenstein, dass Kinder und Jugendliche einen angstfreien Sommer verbringen können. Die Psychotherapeutin mit Schwerpunkt auf dieser Altersgruppe weiß: "Die Pandemie hat bei den ganz Jungen viel Unsicherheit erzeugt. Die Konfrontation mit so viel unbekannten Variablen ist sehr herausfordernd." Deshalb sind jetzt die Eltern gefragt. Sie sind Role-Models für ihren Nachwuchs, der oft ihre Herangehensweise übernimmt. "Das heißt, man sollte die eigene Einstellung zur Situation reflektieren und überlegen, was man seinen Kindern weitergeben will. Da kann auch ein Elterncoaching helfen." (Pia Kruckenhauser, 20.6.2021)