"Ich kann dich nicht hören, weil der Livestream gerade hängt."

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An sich ist es ein tolles Angebot: Der ORF bietet über seine TVthek sämtliche Spiele der aktuell laufenden Europameisterschaft im Männerfußball kostenlos an. Dies noch dazu in 4K. So weit zumindest die Theorie. Denn wie die erste Woche des Events nur allzu deutlich gezeigt hat, stellt sich die Praxis etwas anders dar.

Live ist nicht live

Von so Begriffen wie UHD oder 4K können viele Fußballfans derzeit nur träumen, sehen sie sich doch mit erheblich banaleren Problemen konfrontiert. So funktioniert das Livestreaming der EM auf vielen Smart-TVs gleich gar nicht. Der Grund dafür: Die TVthek-App für Samsung- und LG-Fernseher – beziehungsweise deren Smart-TV-Plattformen Tizen und Web OS – unterstützt bisher gar keine echten Livestreams.

Bei diesem Phänomen geht es auch nicht einfach um veraltete Modelle, DER STANDARD konnte diesen Umstand mit einem aktuellen Samsung-Fernseher der 2021er-Reihe testen. Dort steht lediglich die Option zur Verfügung, die Übertragung eines Spiels von vorne zu beginnen. An die aktuelle Live-Position zu wechseln ist hingegen nicht möglich. Selbst das Vorwärtsspringen innerhalb des folgenden Streams ist nicht möglich. Mit einem Live-Erlebnis hat dies also herzlich wenig zu tun.

Von vorne statt live: Auf Samsung- und LG-Fernsehern ist die EM derzeit ein Trauerspiel.
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Updates?

Dem STANDARD sagt der ORF, dass man über das Problem informiert sei und an einer Lösung arbeite. Genau genommen habe man schon neue Versionen der eigenen Apps an die beiden Hersteller geschickt, bisher haben diese das entsprechende Update aber noch nicht ausgeliefert. Laut aktuellen Informationen des ORF soll es nun aber kommenden Montag so weit sein. Diese besagte neue Version soll dann sogar UHD unterstützen.

Wer einen solchen Fernseher besitzt und die EM live streamen will, der muss also auf externe Geräte zurückgreifen, das wären also vor allem die Streaming-Plattformen von Apple (Apple TV), Amazon (Fire TV) oder auch Google (Chromecast). Tatsächlich gehen dort zumindest die klassischen HD-Streams weitgehend problemlos. Auch mit der App bei Fernsehern mit Android TV klappen die Streams. Störungen gab es hingegen am Wochenende mit der App für iPhones, diese sollen aber mittlerweile behoben werden, wie der TVthek-Betreiber versichert.

4K?

Schwieriger wird es dann wieder bei den UHD-Streams. Denn eigentlich sollten diese ebenfalls auf all den erwähnten Plattformen laufen, also zumindest wenn man die notwendige Hardware dazu hat. In der Praxis erreichen den STANDARD dazu aber sehr unterschiedliche Rückmeldung. Während Apple-TV-Nutzer etwa berichten, dass bei ihnen der 4K-Stream zumindest "okay" läuft, schaut es auf anderen Plattformen deutlich schlechter aus. Viele User berichten von abreißenden Streams oder dauernden Hängern.

Der 4K-Stream will nicht immer.
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Das kann auch DER STANDARD selbst in einem eigenen Test nachvollziehen. So braucht es bei einem Chromecast mit Google TV, das auf Basis von Android TV läuft, schon mal eine Minute, bis der Stream überhaupt irgendwie stabil läuft. Aber auch dazwischen gibt es immer wieder Hänger. Auf dieses Thema angesprochen, ist der ORF überzeugt, dass es kein Problem auf der eigenen Seite gibt. Allerdings müsse natürlich für einen UHD-Stream "ausreichend Bandbreite und Endgeräte-Performance zur Verfügung" stehen. Darauf habe man aber keinen Einfluss, spielt man den Ball auf Kundenseite zurück. Eine Erklärung dafür, wieso dann auf derselben Hardware andere Streamingdienste mit 4K problemlos laufen, bleibt man schuldig. Zumal etwa Netflix in 4K einen sehr ähnlichen Bandbreitenverbrauch wie der UHD-Stream der TVthek hat – beide liegen so um die 25 MBit/s. Zeitweise lieferte die TVthek bei der Anforderung des UHD-Streams übrigens auch gleich die Meldung "Stream konnte nicht abgespielt werden".

Wer es auf unterschiedlichen Geräten selbst probieren will: Der UHD-Stream ist derzeit auf den Apps für Android TV und Apple TV verfügbar. Über die Webseite geht es auch, aber nur wenn man den richtigen Browser verwendet. In dem Fall wären das Microsoft Edge oder Apples Safari – natürlich in den jeweiligen Desktop-Versionen. Generell betont der ORF, dass das Anfragevolumen enorm ist, beim ersten Österreich-Spiel sei es zu Bandbreitenspitzen von bis zu 495 Gbit/s gekommen. Trotzdem laufe das eigene Angebot "weitgehend fehlerfrei".

TV statt Stream

Doch das klassische Fernsehen dürfte noch aus einem anderen Grund für viele die beste Option zum Mitverfolgen der Fußball-EM bleiben, selbst wenn es dort keine 4K-Übertragungen gibt – besteht dort doch nicht die Gefahr, dass man durch die Nachbarn zum Spielstand gespoilert wird. Immerhin hat so ein Livestream eine deutliche Verzögerung gegenüber dem realen Geschehen – und die ist bei UHD noch einmal größer. Aktuell scheint dieser Wert irgendwo zwischen 30 und 45 Sekunden zu liegen. (Andreas Proschofsky, 18.6.2021)