Möchte erneut zum Regierungschef gewählt werden: Nikol Paschinjan.

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In Armenien finden am Sonntag vorgezogene Neuwahlen statt. Das Land sucht einen Ausweg aus der Krise nach dem verlorenen Krieg um die Konfliktregion Berg-Karabach. Der wegen der Niederlage umstrittene Regierungschef Nikol Paschinjan hatte unter dem Druck der Opposition eine Neuwahl angesetzt.

Diskussion um jüngsten Krieg mit Aserbaidschan

Seine Gegner werfen ihm eine Niederlage im jüngsten Krieg mit Aserbaidschan um Berg-Karabach vor, bei dem das Land die Kontrolle über weite Teile des umstrittenen, bisher mehrheitlich von christlichen Armeniern bewohnten Gebiets verloren hat.

Gegen Paschinjan hat sich das Bündnis "Bewegung zur Rettung der Heimat" zusammengeschlossen. Diese besteht hauptsächlich aus nationalistischen Kräften, auch aus dem Umfeld der mittlerweile aus dem Parlament ausgeschiedenen Republikanischen Partei, die lange Jahre in Armenien regiert hatte. Sie wurde durch Massenproteste, die Paschinjan anführte, im Jahr 2018 aus dem Amt gejagt, samt ihrem Chef, dem damaligen Präsidenten Sersch Sargsjan.

Gerichtsverfahren gegen Ex-Präsidenten

Laut einer Umfrage der Marketing Professional Group ist die Popularität von Paschinjans Partei Bürgervertrag zwar deutlich gesunken, sie ist mit rund 22 Prozent Zustimmung aber noch immer die stärkste Einzelkraft. Knapp danach, an zweiter Stelle, folgt demnach mit 20 Prozent das erst im Mai gegründete Bündnis "Armenien-Allianz" unter Führung von Ex-Präsident Robert Kotscharian. Alle anderen Parteien kommen auf deutlich weniger Unterstützung.

Gegen Kotscharian hatte es zuletzt mehrere Gerichtsverfahren gegeben, unter anderem wegen tödlicher Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Polizei im Jahr 2008. Die Proteste waren damals nach der Wahl von Premier Sargsjan zum Präsidenten ausgebrochen, der vom damaligen Amtsinhaber Kotscharian unterstützt wurde. Im heurigen März hob dann das Verfassungsgericht das Justizverfahren gegen Ex-Präsident Kotscharian auf, indem es erklärte, der betreffende Paragraf des Strafgesetzbuches sei "verfassungswidrig".

Insgesamt bewerben sich 22 Parteien und vier Bündnisse um die 105 Sitze in der Nationalversammlung. Zumindest ein Drittel der Kandidaten jeder Liste müssen Frauen sein.

Historischer Konflikt

Der Konflikt um die Region Berg-Karabach (Nagorny-Karabach) gärt schon seit den letzten Jahren der Sowjetunion Ende der 1980er Jahre. Die Region, die völkerrechtlich zu Aserbaidschan gehört, aber mehrheitlich von christlichen Armeniern bewohnt wird, existiert als De-facto-Staat "Republik Arzach" unter armenischer Schirmherrschaft. In dem Krieg vom 27. September bis 9. November 2020 zwischen Aserbaidschan und Armenien holte sich Aserbaidschan weite Teile des verlorenen Gebiets zurück. Mehr als 6.000 Menschen starben bei den Kämpfen. Nach wie vor gibt es nur einen Waffenstillstand, aber keinen Friedensschluss in dem Konflikt.

Aserbaidschan hatte den Kampf um die Region vor allem aufgrund türkischer Militärhilfe und Ausrüstung gewonnen. Der NATO-Staat Türkei tritt als Schutzmacht des öl- und gasreichen turksprachigen und mehrheitlich muslimischen Landes am Kaspischen Meer auf. Russland agiert zwar als Beschützer Armeniens, hat sich aber aus dem jüngsten Konflikt weitgehend herausgehalten. Der Waffenstillstand war von Moskau vermittelt worden. Russische Friedenstruppen sind im Korridor von Latschin im Einsatz, der seit Ende des Krieges die einzige Verbindung zwischen Armenien und der "Republik Arzach" darstellt. (APA, 18.6.2021)