Justizministerin Alma Zadić (Grüne) zog am Freitag eine erste Bilanz über die BBU, und die war positiv.

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Justizministerin Alma Zadić (Grüne) übernahm mit ihrem Amtsantritt im Jänner 2020 eine höchst umstrittene Baustelle: 2018 hatte der damalige Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) verkündet, dass er die Rechtsberatung von Geflüchteten aus ihren alten Strukturen herausreißen und in der Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU) organisieren will.

Wie unterschiedlich die Zugänge der beiden dazu sind, zeigt selbst schon der Blick darauf, wie sie über die BBU sprechen. Kickl meinte im Oktober 2018: "Es wird eine ehrliche Beratung dahingehend geben, dass man vielen von Anfang an sagen muss: Es ist ein sinnloses Unterfangen, was du hier betreibst." Die NGOs, die diese Aufgaben bisher überhatten, sollten "dieses Feld nicht mehr allein bearbeiten". Kickl weiter: "Ich will hier selbst kontrollieren."

Bei Zadić klang das am Freitag, als sie ein erstes Resümee der Agentur präsentierte, anders. In der Arbeit der BBU müsse man stets voranstellen, dass es "um ein Asylverfahren geht. Das hat eine immense Bedeutung für die betroffenen Menschen, es entscheidet darüber, ob jemand zurückgeschickt wird oder nicht, und damit auch über Leben und Tod." Daher müsse die Rechtsberatung in der BBU "höchsten Qualitätsansprüchen gerecht werden". Jeder Mensch müsse "das Recht auf eine Rechtsvertretung haben, jemanden, der in seinem Interesse das Recht auf Asyl durchsetzt, wenn dieses besteht".

Achtköpfiger Qualitätsbeirat

Es ist kein Geheimnis, dass Zadić dem Kickl-Vorschlag skeptisch gegenüberstand, als sie ihr Amt antrat. Rückblickend sagt sie nun, man habe zwar ein Gesetz gehabt, aber noch keinen Vertrag, "den mussten wir mit Leben füllen". So nahm man den NGOs die Rechtsberatung nicht weg, sondern gliederte die Tätigkeiten der NGOs in die BBU ein. 700 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen seien laut BBU-Chef Andreas Achrainer in die BBU gewechselt.

Zentral sei aber, so Zadić, die Unabhängigkeit, die man mit einigen Checks and Balances sicherstellen wolle. Etwa mit einem Qualitätsbeirat. Dessen Vorsitzende ist Sabine Matejka, Präsidentin der Richtervereinigung und ebenfalls bei der Pressekonferenz anwesend. Der Beirat unterbreitet Vorschläge zur Qualitätssicherung und erstellt einmal jährlich einen Bericht, der an Ministerien, Aufsichtsrat und Bereichsleiterinnen und -leiter geht. "Wichtig war uns klarzustellen, dass wir transparent arbeiten wollen", sagt Matejka, man werde auch nach außen auftreten.

Insgesamt sind acht Mitglieder im Beirat, davon werden fünf von Organisationen (dem UNHCR, dem Österreichischen Rechtsanwaltskammertag, der Richtervereinigung, dem Ludwig Boltzmann Institut und dem Österreichischen Institut für Menschenrechte) gestellt. Das Innen- und das Justizministerium stellen ebenfalls je einen Vertreter, ein weiterer kommt von den beiden Ministerien gemeinsam. Konkret wurden folgende Personen in den Beirat geholt:

  • Richtervereinigung: Sabine Matejka, die Präsidentin der Richtervereinigung (Vorsitzende des Beirats)
  • Innen- und Justizministerium: Hannes Tretter vom Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte (stellvertretender Vorsitzender des Beirats)
  • UNHCR: Birgit Einzenberger, die Leiterin der Rechtsabteilung des UNHCR
  • ÖRAK: Michael Schuszter, Anwalt
  • Ludwig Boltzmann Institut: Adel-Naim Reyhani, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut
  • Institut für Menschenrechte: Reinhard Klaushofer, Leiter des Instituts
  • Innenministerium: Rudolf Feik von der Uni Salzburg
  • Justizministerium: Clemens Lahner, Anwalt

3.600 Fälle in fünf Monaten

Abgesehen davon ist laut Zadić die Abteilung der Rechtsberatung innerhalb der BBU weisungsfrei. Eine Aufsichtsrätin, die vom Justizministerium bestellt wurde, kann in Streitfragen zu Weisungen entscheiden. Um in der Rechtsberatung Vertraulichkeit sicherzustellen, habe man vertraglich geregelt, dass die Gespräche mit den Klienten und Klientinnen weder Ministerium noch Geschäftsführung oder Aufsichtsrat berichtet werden müssen. Technisch sorge eine "Chinese Wall" zwischen der Rechtsberatung und der BBU für Datensicherheit.

Eben die Weisungsfreiheit sieht Lukas Gahleitner-Gertz von der Asylkoordination Österreich stark abhängig von der jeweils amtierenden Regierung. Im Aufsichtsrat sitzen mit Wolfgang Taucher und Peter Webinger nämlich auch zwei hochrangige Beamte des Innenministeriums. "Das stellt einen Interessenkonflikt dar, weil die wiederum in die Weisungskette des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl eingebunden sind", sagt der Jurist. Außerdem kritisiert Gahleitner-Gertz, dass der Rahmenvertrag, in dem die Weisungsfreiheit des BBU-Geschäftsführers abgesichert ist, nicht öffentlich ist. "Das ist intransparent, und der Vertrag kann natürlich von einer neuen Regierung abgeändert werden", sagt er. Zadić habe es in Bezug auf den ursprünglichen Vorschlag Kickls tatsächlich geschafft "Schadensbegrenzung zu betreiben", die BBU bleibe aber in ihrer Grundstruktur "rechtsstaatlich defizitär".

Stefan Klammer, der Leiter des des Geschäftsbereichs Rechtsberatung in der BBU, gibt an, in den ersten fünf Monaten der BBU habe man in 3.600 Fällen eine Entscheidsberatung durchgeführt. In über 1.000 Fällen seien Rechtsmittel gegen die Entscheidung der Behörde erhoben worden, in über 5.000 Fällen sei man mit der Vertretung in gerichtlichen Verfahren beauftragt worden. Beim Bundesverwaltungsgericht würden momentan 16.000 Verfahren abgearbeitet werden, auch in diesen könnten sich Klienten und Klientinnen an die BBU wenden.

Thema am Rande war die Abschiebepraxis nach Afghanistan. Diese sieht Zadić sehr kritisch. Ohne das Innenministerium direkt anzusprechen, verlangte sie eine Evaluierung – und die entsprechenden Stellungnahmen des UNHCR zu berücksichtigen. (Gabriele Scherndl, Johannes Pucher, 18.6.2021)