Lassnigs "Wilde Tiere sind gefährdet": Rund 124.000 Euro bezahlte der Unternehmer Helmut M. Zoidl 1999 den "Wiener Kunst Auktionen". Nun soll das Gemälde mindestens 600.000 Euro bringen.

Foto: Dorotheum

Die Chronisten des Kunstmarktes spitzen im übertragenen Sinne bereits ihre Stifte. Am Mittwoch gelangt ein monumentales Gemälde von Maria Lassnig zur Versteigerung, das der Welt einen neuen Auktionsrekord bescheren wird. Für einen Akteur am heimischen Marktplatz wird jedoch ein überaus bitterer Beigeschmack dominieren. Er wurde unschön ausgebootet. Aber der Reihe nach.

Wilde Tiere sind gefährdet heißt das drei mal zwei Meter große Hochformat, in dem sich die Künstlerin mit der ausgebeuteten Natur – in Trophäengestalt eines wie gekreuzigt ausgebreiteten Leopardenfells – identifiziert. Das Werk entstand an einem Wendepunkt ihrer Karriere, 1980, als sie nach zwei Jahrzehnten in Paris und New York nach Wien zurückgekehrt war und eine Professur an der Hochschule für angewandte Kunst erhielt. Im selben Jahr vertrat sie – gemeinsam mit Valie Export als erste Künstlerinnen überhaupt – Österreich bei der damals von Hans Hollein kuratierten Biennale in Venedig.

Weltrekord ante portas

Gemessen an den zuletzt auf dem Markt verfügbaren Werken handelt es sich bei diesem um ein großes Kaliber. Ein Umstand, der sich auch in den monetären Erwartungen spiegelt: Mit 600.000 bis 800.000 Euro liegt der Schätzwert über dem bisherigen Auktionsrekord, den Phillips im November 2019 in New York für ein kleineres Werk (Competition III) aus dem Jahr 2000 mit umgerechnet knapp 640.000 Euro erzielte.

Ein Wert, der übertroffen werden wird, vielleicht sogar über die magische Millionenschwelle hinaus. Zumal Trophäen dieser Art nicht nur das Interesse internationaler, sondern auch dasjenige heimischer Privatsammler schüren: Die Milliardärin Heidi Horten, die nächstes Jahr ihr Privatmuseum im Hanuschhof eröffnen wird, käme infrage.

Albertina winkt ab

Oder auch Hans Peter Haselsteiner für die Albertina? Hausherr Klaus Albrecht Schröder winkt ab: "Ein wunderbares, ein grandioses Werk", aber mit den mehr als 60 Lassnigs aus der Essl-Schenkung oder den Dauerleihgaben der Familiensammlung Haselsteiner (vormals Essl) habe das keine Priorität.

Wer sich den Auktionsrekord an die Fahnen heften darf, steht freilich schon fest: das Dorotheum. Hinter den Kulissen sorgt das für veritablen Unmut, und diesen kann man Otto Hans Ressler schwerlich verdenken. Denn er war derjenige, der ursprünglich von der H.M.Z. Privatstiftung mit der Verwertung der von Helmut M. Zoidl über Jahrzehnte aufgebauten Sammlung beauftragt wurde.

Erfolgreiche Versteigerungen bei Ressler

Im Mai notierte Ressler für Günter Brus frühe informelle Arbeit den höchsten je für ein Werk eines österreichischen Künstlers weltweit erzielten Auktionszuschlag: 750.000 Euro, inklusive Folgerecht und Gebühr belief sich der Kaufpreis auf 931.000 Euro.
Foto: Ressler Kunst Auktionen

Im September 2020 versteigerte Ressler seinem Auktionshaus die erste Tranche, weitere folgten, für September war eine weitere Sause vorgesehen. Ob es dazu kommt, ist derzeit fraglich. Dabei kann sich die bisherige Bilanz durchaus sehen lassen. Reihum überstiegen Zuschläge die Erwartungen, teils in überraschender Höhe: Erst im Mai erzielte ein frühes informelles Gemälde von Günter Brus mit 931.000 Euro den höchsten je für ein Werk eines österreichischen Künstlers weltweit erzielten Auktionspreis.

Der Rufpreis war bei 75.000 Euro gelegen, der Zuschlag beim Zehnfachen erfolgt: Dem Auktionswesen entsprechend entschied die Nachfrage potenzieller Käufer und nicht der Schätzwert über das Ergebnis. Ein Prinzip, das dem Stiftungsvorstand nicht geläufig sein dürfte. Am Tag vor der Versteigerung hatte er die Zurückziehung des Brus-Bildes gefordert, da ein vermeintlich lukratives Angebot vorlag: in einer Größenordnung von 250.000 Euro, die – dank Resslers Überredungskunst – am Ende um ein Vielfaches übertroffen wurden.

Hauser & Wirth war auch interessiert

Und nun landete das Lassnig-Bild, das Sahnehäubchen der Zoidl-Kollektion, ausgerechnet im Dorotheum? Er sei auf diesem Gebiet tatsächlich ein Grünschnabel, bestätigt Manfred Zand als Vorsitzender des Stiftungsvorstandes.

Für die Lassnig habe auch die Galerie Hauser & Wirth ein Angebot vorgelegt, jedoch habe man kein Interesse an einem Kommissionsgeschäft gehabt. "Das Dorotheum ist halt die beste Adresse", erklärt Zand seine Entscheidung. Für das Bild habe es keine Vereinbarung mit Ressler gegeben, da es bis vor kurzem noch in der Wohnung von Evelyn Zoidl, der Exfrau des 2013 verstorbenen Unternehmers, hing.

Ressler widerspricht: Selbstverständlich sei das Bild Gegenstand der Auktionsvereinbarung gewesen. Er hatte Zoidl, den er seit den 1980er-Jahren kannte, den Kauf des Gemäldes einst übrigens empfohlen. Der Unternehmer ersteigerte es bei ihm im Oktober 1999 bei den "Wiener Kunst Auktionen" für rund 124.000 Euro. Das aktuelle Verkaufslimit hatte er mit 350.000 Euro bewertet, um stärkeres Interesse zu generieren.

Sei es, wie es sei. Für ihn habe sich die Angelegenheit erledigt, sagt Ressler. Sein Anwalt bemüht sich um die Auflösung der Geschäftsvereinbarung in beidseitigem Einvernehmen.(Olga Kronsteiner, 19.6.2021)