Die Sonne befördert durchgehend geladene Teilchen mit hoher Geschwindigkeit ins All. Der schnelle Sonnenwind kann mitunter mit bis zu 800 Kilometern pro Sekunde in Richtung unseres Heimatplaneten wehen. Aber manchmal wird aus dem Wind auch ein regelrechter Orkan.

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Von der Sonne her weht ein beständiger "Wind" aus Strahlung und geladenen Teilchen, der vom Erdmagnetfeld abgelenkt wird und uns daher nichts anhaben kann. Sichtbar wird der Sonnenwind, wenn er rund um die Pole auf die Atmosphäre trifft und dort Atome und Moleküle zum Leuchten anregt. Das Ergebnis sind farbenfrohe Polarlichter. Mitunter aber kann es zu einem regelrechten Sonnensturm kommen. Die Ursache für solare "Orkane" sind Eruptionen in Regionen mit hoher magnetischer Feldstärke in den äußersten Schichten der Sonne, die mit einer plötzlichen Umordnen der magnetischen Feldlinien in Zusammenhang stehen.

Gefahr durch CMEs

Weist ein solcher Ausbruch direkt in Richtung unseres Heimatplaneten, werden drei Phänomene beobachtbar: Es kommt zu einem Röntgenblitz, auch Flare genannt, der rund acht Minuten nach der Sonneneruption die Erde erreicht und als erstes Anzeichen für einen Sonnensturm registriert wird. Etwa eine Stunde später treffen Protonen und andere hochenergetische Teilchen ein. Diese Partikel können im Ernstfall den Satelliten im Orbit große Unannehmlichkeiten bereiten, bis hin zum Totalausfall.

Schließlich, nach etwa ein bis zwei Tagen, bekommen wir es mit einer Plasmawolke aus geladenen Teilchen zu tun. Dieser sogenannte koronale Massenauswurf (CME, Coronal Mass Ejection) ist für viele Probleme verantwortlich, die mit einer schweren Sonneneruption einhergehen. In unserer hochvernetzten Welt mit ihren empfindlichen Energieverteilungs- und Kommunikationssystemen könnten schwere Sonnenstürme wie etwas das sogenannte Carrington-Ereignis von 1859 weite Teile des Globus tage-, wenn nicht wochenlang ohne Strom und Internet zurücklassen.

Per KI-Hilfe zu besseren Prognosen

Umso wichtiger sind daher Prognosen für das Weltraumwetter, um im Fall der Fälle rechtzeitig reagieren zu können. Einem internationalen Team unter der Leitung österreichischer Wissenschafter ist es nun gelungen, solche Vorhersagen um rund 20 Prozent zu verbessern. Sie kombinierten dabei Modelle zur Sonnenwind-Vorhersage mit Methoden des Maschinellen Lernens bzw. Künstlicher Intelligenz (KI). Das könnte dabei helfen, die auch auf der Erde spürbaren Auswirkungen von koronalen Massenauswürfen besser einzuschätzen.

Künstliche Intelligenz hilft bei der Prognose des Weltraumwetters: Die Grafik zeigt Sonnensturm-Vorhersagen durch das alte (blau) und neue (orange) Modell sowie die gemessenen Werte.
Grafik/Illustr.: ZAMG/NASA

Die Nachfrage nach besseren Systemen zur Vorhersage des Sonnenwindes sei dementsprechend "sehr groß", sagt Martin Reiss vom Institut für Weltraumforschung (IWF) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Graz. Er leitete zusammen mit Rachel Bailey von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) die nun im Fachjournal "Space Weather" veröffentlichte Studie.

Die besten aktuellen Modelle gehen davon aus, dass die groben Bedingungen auf der Sonne innerhalb einer vollen Rotation der Sonne im Bezug zur – sich natürlich selbst um die Sonne bewegenden – Erde in etwa gleich bleiben. Dieser Zeitraum umfasst immerhin rund 27 Tage. Das sei "bei weitem nicht befriedigend, wenn man bedenkt, wie viel Entwicklung hier schon drinnen steckt", so der Forscher.

Machine Learning

Ein großer Vorteil der aktuellen Arbeit sei, dass man den Ansatz in gängige Modelle recht rasch einbauen könne. "Wir haben erstmals Modelle des Magnetfeldes der Sonne mit Machine Learning kombiniert", erklärte Reiss. Die Daten, an denen der KI-Algorithmus lernt, kommen von Magnetfeldmessungen der Sonne, die auf der Erde von einem globalen Netzwerk registriert werden. Damit werden auch die herkömmlichen Vorhersagemodelle gefüttert.

In Zusammenarbeit mit dem US Air Force Research Lab und dem Nasa Goddard Forschungslabor setzten die Wissenschafter einen Machine Learning-Algorithums mit auf die Frage an, wie das Magnetfeld der Erde mit dem Sonnenwind über die Zeit zusammenwirkt. "Das hat uns in Kombination mit einem Magnetfeld-Modell der Sonne ermöglicht, Vorhersagen zu treffen, wie sich der Sonnenwind in Zukunft verhalten wird", erklärte der Wissenschafter.

20 Prozent besser

Das so optimierte System ließ das Team über Daten von zwei Sonnenzyklen von jeweils rund elf Jahren trainieren und dann Vorhersagen treffen. Die Ergebnisse "geben diesem Aufwand mehr als recht", so Bailey. Es zeigte sich nämlich, dass die Verbesserung der Vorhersage ungefähr im Bereich von 20 Prozent liegt. Demnach reduziert sich der Fehler in der Geschwindigkeitsprognose des Sonnenwindes im Schnitt von 99 auf 78 Kilometer pro Sekunde.

Dies bringe auch neue Optionen für die Vorhersage von koronalen Masseauswürfen. "Es ist in der Forschung bekannt, dass die Ausbreitung der CMEs auch stark von den Bedingungen im Weltraum zu dem Zeitpunkt abhängig ist", sagte Reis: "Wenn wir den Sonnenwind besser vorhersagen können, können wie auch die Ausbreitung von CMEs besser vorhersagen." (red, APA, 18.6.2021)