Der Mann kann was.

Foto: EPA/ STEEN

Hätte man Maarten Stekelenburg im Sommer 2020 nach seinen EM-Chancen gefragt, hätte der Tormann wohl wie einst Sturm-Profi Günther Neukirchner geantwortet: "Das ist die nächste deppate Frog." Das Nationalteam schien komplett außer Reichweite für den Niederländer. Sein letztes Länderspiel absolvierte er 2016, bei Everton hatte er einen Stammplatz auf der Ersatzbank. Durch glückliche Fügungen ist der 38-Jährige nun aber nicht nur der älteste EM-Teilnehmer, sondern auch Oranje-Stammgoalie.

Im August 2020 wechselte der 1,97-Meter-Mann zu Ajax Amsterdam. Dort war André Onana die unumstrittene Nummer eins. Steke sollte bei seinem Jugendklub, für den er ein Jahrzehnt lang gespielt hatte, nochmals das routinierte Backup geben. Vielleicht ein, zwei Cup-Einsätze und Titelchancen, das klang nach einem guten Pensionsdeal für den Vizeweltmeister 2010. Für mehr Spielzeit müsste schon etwas Außergewöhnliches passieren.

Der erste Frühling

Zum Beispiel eine Dopingsperre gegen Onana im Februar 2021. Eine Urinprobe des Kameruners hatte auf die verbotene Substanz Furosemid angeschlagen. Der europäische Fußballverband sperrte ihn. Stekelenburg rückte bei Ajax nach und machte seine Sache gut, strahlte Sicherheit aus. So gut, dass er im März erstmals seit Oktober 2017 wieder ins Nationalteam berufen wurde.

Steke hatte plötzlich Chancen auf den EM-Kader. Aber auf Spielzeit? Valencia-Schlussmann Jasper Cillessen galt als Fixbank.

Dann kam Corona. Cillessen wurde positiv getestet und am 1. Juni aus dem EM-Kader gestrichen. Einen Tag vorm Auftaktmatch gab Bondscoach Frank de Boer bekannt, dass Stekelenburg auch den Vorzug vor Norwichs Tim Krul erhalte: "Am Ende hat das Gefühl entschieden." Oder eine Voodoo-Puppe in Stekes Keller. Und was sagt der Glückspilz selbst? "Wenn mir das jemand vor der Saison gesagt hätte, hätte ich ihn ausgelacht." Was für eine "deppate Frog" auch. (Andreas Gstaltmeyr, 18.6.2021)