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Adoption für gleichgeschlechtliche Paare, Ehe für alle. Österreich machte in Sachen rechtliche Gleichstellung von LGBTQI+-Personen deutliche Fortschritte.

Foto: REUTERS/BERNADETT SZABO

Die rechtliche Diskriminierung von LGBTQI+-Personen wurde in den letzten Jahrzehnten fast gänzlich abgebaut. Ausschlaggebend waren zumeist nicht politische Entscheidungen, sondern Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofs (VfGH): 2002 hob das Höchstgericht den Straftatbestand der "Gleichgeschlechtlichen Unzucht mit Jugendlichen" auf, der Homosexuelle diskriminierte. In den vergangenen Jahren ermöglichte der Gerichtshof zudem die Adoption durch gleichgeschlechtliche Paare und die Öffnung der Ehe für alle. "Mittlerweile sind wir in Österreich auch weltweit an der Spitze der Rechtsentwicklung," sagt Anwalt Helmut Graupner, der sich als Präsident des Rechtskomitees Lambda für die Rechte von LGBTQI+-Personen einsetzt.

Kein Diskriminierungsschutz

Trotz dieser Fortschritte gibt es Bereiche, in denen Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung noch immer benachteiligt werden oder zumindest nicht gänzlich gleichgestellt sind. "Am frappierendsten ist, dass es auf Bundesebene keinen Diskriminierungsschutz gibt", sagt Graupner. Es gebe zwar einen Schutz vor Diskriminierung am Arbeitsplatz, nicht aber in anderen Lebenssituationen.

So ist es in Österreich etwa nach wie vor legal, Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung aus dem Taxi zu werfen oder ihnen ein Hotelzimmer oder eine Mietwohnung zu verweigern. "Das ist in fast allen europäischen Ländern verboten, etwa auch in Polen, Ungarn oder den Balkanstaaten, und muss schleunigst repariert werden", fordert Graupner. Zwar gebe es auf Landesebene Gleichbehandlungsgesetze, diese seien aber nur im Bereich der Landesgesetzgebung anwendbar – also etwa in Kindergärten oder im Sanitätswesen.

Auch Justizministerin Alma Zadić (Grüne) hält eine Reform für notwendig. Eine gesetzliche Verankerung des vollständigen Schutzes vor Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität sei auch "eine langjährige Forderung der Grünen". Zadić tausche sich dazu regelmäßig mit Vertreterinnen und Vertretern von NGOs und Vereinen aus.

Blutspendeverbot

Auch das Blutspendeverbot für Männer, die mit anderen Männern Sex hatten, ist nach wie vor aufrecht. Die Ausschlussfrist wurde zuletzt vom Ministerium auf vier Monate nach dem letzten Geschlechtsverkehr reduziert, dies allerdings nur als Empfehlung. Das Rote Kreuz wendet weiterhin die bisherige Einjahresfrist an. "Vier Monate sind immer noch diskriminierend", sagt Anwalt Graupner. "Heterosexuelle Menschen werden bei der Blutspende nicht einmal nach ungeschütztem Verkehr gefragt."

Nachholbedarf sieht Graupner nicht nur bei der Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung, sondern auch in Sachen Geschlechtsidentität: Er fordert, dass für die Anpassung des rechtlichen Geschlechts an das gelebte Geschlecht medizinische Gutachten nicht mehr erforderlich sind. Reichen solle dafür eine einfache Erklärung der betroffenen Person.

In einer Entscheidung hatte der Verfassungsgerichtshof 2018 klargestellt, dass die Eintragung eines dritten Geschlechts ins Personenstandsregister ermöglicht werden muss. "Der Innenminister beschränkt das aber auf Personen, die körperlich intergeschlechtlich sind. Nichtbinäre Personen sind nach wie vor davon ausgeschlossen." Geht es nach Graupner, soll auch hier wieder der VfGH Fakten schaffen: Gemeinsam mit der "Genderklage" plant er erneut den Weg zum Höchstgericht. (Jakob Pflügl, 19.7.2021)