Zwei Frauen zeigen in Teheran den Stempel, den sie für ihre Stimmabgabe erhalten haben.

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Der Ansturm auf die Wahllokale im Iran blieb aus. Und das, obwohl der staatliche Rundfunk konsequent zur Teilnahme an der Präsidentschaftswahl aufgerufen und Kleriker die Stimmabgabe zur islamischen Pflicht erklärt hatten. Vor allem in jenen Stadtteilen Teherans, in denen die gehobene Schicht wohnt, ging zunächst fast niemand zu den Wahlurnen, um für den achten Präsidenten zu stimmen.

Nach Umfragen, die von Ispa, dem iranischen Studentenwahlbüro, veröffentlicht wurden, wollten nur 42 Prozent der Bevölkerung definitiv an den Wahlen teilnehmen, 32 Prozent wollten hingegen unter keinen Umständen wählen. Innenminister Abdolreza Rahmani Fazli sprach in einem Interview kurz vor dem Urnengang von einer 50-prozentigen Wahlbeteiligung. Zwölf Stunden nach Öffnung der Wahllokale lag diese landesweit aber erst bei 37 Prozent, wie die Nachrichtenagentur Fars berichtete. Die Öffnungszeit der Wahllokale wurde daher am späten Abend um zwei Stunden verlängert. Die 13. Präsidentschaftswahl in der islamischen Republik war in jeder Hinsicht eingeschränkt.

Vier Kandidaten

Von 592 Bewerbern, unter ihnen 40 Frauen, wurden nur sieben Kandidaten vom Wächterrat überhaupt zugelassen. In den Tagen vor der Wahl verzichteten drei davon auf ihr Antreten. Somit schafften es am Ende nur vier Kandidaten auf den Stimmzettel. Von ihnen hatte der 60-jährige Justizchef Ebrahim Raisi die größte Chance, die Wahl für sich zu entscheiden. Seine Gegenkandidaten, unter ihnen Revolutionsgardengeneral Mohsen Rezaei und Ex-Zentralbankpräsident Abdolnasser Hemmati, lagen in den Umfragen weit hinter ihm.

Hemmati wurde in den vergangenen Tagen von einem Teil der Reformer unterstützt, wiewohl sich nicht alle auf ihn einigen konnten. Mirhossein Mussavi, der seit zehn Jahren unter Hausarrest steht, bezeichnete die Wahlen als Theater und rief im Gegensatz zu Mehdi Karrubi, ebenfalls unter Hausarrest, zum Boykott auf. Beide wurden kurz nach dem sogenannten grünen Aufstand vor elf Jahren eingesperrt. Trotzdem wollte Karrubi an den Wahlen teilnehmen, weil seiner Ansicht nach die republikanische politische Ordnung des Iran gefährdet ist und ein Boykott der Präsidentschaftswahl letztlich den Weg zu einem Ein-Mann-System ebnen würde.

Obstkiste und Wahlurne

Das Oberhaupt der Sunniten, Mola Abdolhamid, rief seine Anhänger dazu auf, ihre Stimme Raisi zu geben, er kann auf die Unterstützung von drei Millionen Anhängern, vor allem in den Grenzgebieten, zählen. Der frühere Präsident Mohammad Khatami wiederum forderte seine Anhänger auf, Hemmati zu wählen.

Der Religiöse Führer Ali Khamenei hat bereits im Vorfeld die kritischen Stimmen aus dem Ausland, die zum Boykott der Wahl aufgerufen hatten, angegriffen. "Manche, die nicht zwischen einer Obstkiste und einer Wahlurne unterscheiden können, stellen die Wahlen im Iran infrage", sagte Khamenei.

Damit meinte er vor allem BBC Farsi und den Sender Iran International, der von Saudi-Arabien finanziert wird und 24 Stunden lang aus London für den Iran ausstrahlt. In beiden Sendern sind ehemalige iranische Journalisten beschäftigt, die vor allem den Reformern nahestehen. Sie mussten wegen Repressalien das Land verlassen. In Diskussionen vor den Wahlen im staatlichen iranischen Fernsehen behauptete ein Kandidat, dass nur zehn Prozent der Bevölkerung den staatlichen Fernsehsendungen im Iran vertrauen würden und die Mehrheit ausländische Sendungen bevorzuge.

Versprechen an Zeitungen

Um die Gunst der Medien auf seine Seite zu ziehen, hat Raisi die Chefredakteure der den Reformern nahestehenden Medien zu sich gebeten und ihnen versichert, sie im Falle eines Wahlsiegs mit Subventionen zu unterstützen. Fast alle Zeitungen sind aufgrund fallender Leserzahlen auf die finanziellen Hilfen der Regierung angewiesen.

Durch das Versprechen Raisis ruderten mehrere Medien mit ihren kritischen Ansichten zum Teil zurück – für viele ein Zeichen, dass man im Iran trotz unterschiedlicher politischer Strömungen nicht von "freien Medien" sprechen darf.

Erste Ergebnisse werden laut Innenministerium am Samstag oder spätestens am Sonntag erwartet. 1,3 Millionen Erstwähler dürfen diesmal an den Wahlen teilnehmen, außerdem sind 3,2 Millionen Iranerinnen und Iraner im Ausland wahlberechtigt. (N. N.* aus Teheran, 18.6.2021)