Von Quantencomputern erhofft man sich den nächsten großen Sprung in der Computerentwicklung. Im Unterschied zu klassischen Rechnern, die auf binäre Operationen mit 0 und 1 setzen, beruht ein Quantencomputer auf der Verwendung von Quantenbits, also quantenmechanischen Zuständen, die nicht nur 0 oder 1, sondern auch beide Zustände gleichzeitig einnehmen können. Die Wissenschafter sprechen von einer sogenannten Superposition. Damit sollen sie Rechenoperationen schneller lösen können als herkömmliche Computer. Hinzu kommt, dass mehrere Qubits in einer Art "Fernwirkung" miteinander verschränkt werden können.

Vor zwei Jahren haben Innsbrucker Physiker bei den Alpbacher Technologiegesprächen angekündigt, bis 2022 einen Quantencomputer zur Marktreife bringen zu wollen. Nun stellen sie im Fachjournal "PRX Quantum" den Protototyp eines industriell herstellbaren Quantencomputers vor. Dabei ist es ihnen gelungen, die Technologie, die bisher ein ganzes Labor gefüllt hat, in zwei Serverschränke zu packen, wie sie üblicherweise in Rechenzentren verwendet werden.

Quantencomputer waren bislang Einzelanfertigungen, die ganze Forschungslabore füllten. Nun haben Physiker der Universität Innsbruck den Prototyp eines industriellen Ionenfallen-Quantencomputers gebaut.
Foto: Uni Innsbruck

Ionenfallen als Grundkonzept

Qubits, die als Speicher- und Recheneinheiten zugleich dienen, können auf verschiedene Weise realisiert werden. An der Universität Innsbruck, wo man seit drei Jahrzehnten an den Grundlagen für Quantencomputer forscht, konzentriert man sich auf einzelne Ionen, die durch elektromagnetische Felder im Vakuum gehalten und mit Lasern manipuliert werden können. Solche Ionenfallen gelten als vielversprechendes Grundkonzept für die Realisierung praktikabler Qubits.

Derzeit füllen Quantencomputer-Experimente noch ein 30 bis 50 Quadratmeter großes Labor. Im Rahmen des EU-Flagship-Programmes "Quantentechnologien" haben Forscher des Instituts für Experimentalphysik in Innsbruck nun einen Demonstrator für einen kompakten Ionenfallen-Quantencomputer gebaut. Der passt in zwei 19-Zoll-Serverracks. "Uns ging es nun darum, die hier entwickelten Technologien auf kleinstmöglichem Raum unterzubringen und gleichzeitig die in der Industrie üblichen Normen und Standards zu erfüllen", erklärte Thomas Monz von der Universität Innsbruck. Mit dem neuen Gerät wollen die Wissenschafter zeigen, dass Quantencomputer schon bald für den Einsatz in Rechenzentren bereit sind.

Das neue Gerät findet Platz in zwei 19-Zoll-Serverracks, wie sie in Rechenzentren auf der ganzen Welt verwendet werden, und soll zeigen, dass Quantencomputer schon bald für den Einsatz in Rechenzentren bereit sind.
Illustr.: I. Pogorelov et al.

Die einzelnen Bausteine mussten dafür erheblich verkleinert werden. So nimmt das Herzstück des Quantencomputers, die in einer Vakuumkammer eingebaute Ionenfalle, nur einen Bruchteil des bisher notwendigen Platzes ein. Sie wurde den Forschern vom Tiroler Spin-off-Unternehmen Alpine Quantum Technologies (AQT) zur Verfügung gestellt, einer Ausgründung der Universität Innsbruck und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) zum Bau eines kommerziellen Quantencomputers. Weitere Bauteile kommen vom Fraunhofer-Institut für Angewandte Optik und Feinmechanik in Jena und dem Laserspezialisten TOPTICA Photonics in München beigesteuert.

Empfindliches System

Quantenexperimente sind äußert empfindlich gegenüber Einflüssen von Außen und werden im Labor mit Hilfe aufwändiger Maßnahmen vor Störungen geschützt. Daher war es für die Wissenschafter eine besondere Herausforderung, die Stabilität des kompakten Quantencomputers sicherzustellen. Es sei aber gelungen, auch auf dem kleinen Quantenrechner einen sicheren und unterbrechungsfreien Betrieb zu gewährleisten. Der Prototyp kann autark betrieben werden und soll bald auch online programmierbar sein.

Entscheidend für den industriellen Einsatz eines Quantencomputers ist die Zahl der verfügbaren Qubits. In Deutschland wurden erst vor wenigen Tagen zwei Milliarden Euro Fördermittel mit dem Ziel zur Verfügung gestellt, einen Demonstrations-Quantencomputer zu bauen, der über 24 voll funktionsfähige Qubits verfügt.

Die einzelnen Bausteine des weltweit ersten Quantencomputers in diesem Format mussten erheblich verkleinert werden. So nimmt das Herzstück des Quantencomputers, die in einer Vakuumkammer eingebaute Ionenfalle, nur einen Bruchteil des bisher notwendigen Platzes ein.
Illustr.: I. Pogorelov et al.

Autarker Betrieb mit 24 Qubits

Dieses Ziel haben die Innsbrucker Quantenphysiker bereits erreicht. In ihrem Demonstrator können bis zu 24 Ionen individuell kontrolliert und erfolgreich miteinander verschränkt werden. "Bis im kommenden Jahr wollen wir das Gerät mit bis zu 50 individuell ansteuerbaren Quantenbits ausstatten", so Monz.

Hinsichtlich des Ziels der Marktreife bis 2022 betonte Monz, dass alles auf Schiene sei, "das System der AQT kann bereits von Partnern per Cloud verwendet werden". Auf seiner Homepage wirbt das Uni-Spin-off damit, "eine wachsende Anzahl von Quantencomputern" aufzustellen, die "bei Raumtemperatur in einer normalen Büroumgebung arbeiten, in Standard-19-Zoll-Racks installiert sind und über eine gewöhnliche Wandsteckdose mit Strom versorgt werden". (red, APA, 18.6.2021)