Aleksandar Dragović hat den Ball auf dem Kopf und die Ukraine im Kopf. "Wir werden alles geben."

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Am Freitag um 12.30 Uhr ist das aus Amsterdam angeflogene österreichische Nationalteam in Innsbruck gelandet, um per Euro-Bus ins Base Camp nach Seefeld transportiert zu werden. Das war nach dem klaren 0:2 vom Vortag die erfreulichste Nachricht. Die Chancenlosigkeit gegen die Niederlande wurde kollektiv nicht abgestritten, Selbstkritik ist im Gegensatz zur Selbstzerfleischung ein Schritt zur Besserung.

Ein Wesen des Fußballs ist, dass nach dem Spiel vor dem Spiel ist. Also blickte Aleksandar Dragović voraus. Nach Bukarest, wo am Montag um 18 Uhr die Ukraine wartet. "Mund abputzen, weitermachen", sagte der 30-jährige Innenverteidiger, der "nicht um den heißen Brei" reden wollte. "Die Niederlage war verdient, die Niederlande haben mehr Qualität." Die Ausgangslage habe sich nicht wirklich verändert. "Es ist das erwartete Finalspiel gegen die Ukraine. Wir werden alles geben."

Keine Schuldzuweisungen

ÖFB-Sportdirektor Peter Schöttel, einer der leiseren Sorte, sparte mit Schuldzuweisungen. "Wir sind eine große Gruppe von Menschen, die Fehler machen." Da Schöttel den Trainerschein besitzt und sich im Fach auskennt, sind ihm einige Dinge negativ aufgefallen. "Es fehlte der Tiefgang, wir spielten zu sehr in die Breite, kreierten kaum Chancen. Wir hatten sogar zu viel Ballbesitz. Obwohl ich schon glaube, dass wir mutig waren." Indirekt oder auch direkt nahm er Teamchef Franco Foda in Schutz. "Es hat niemand angeordnet, nicht in die Tiefe zu gehen."

Natürlich sei der Spielverlauf, das frühe 0:1, ein extrem ungünstig gewesen. Kapitän David Alaba nahm das patscherte Elferfoul "auf meine Kappe". Sein Leistungsabfall im Vergleich zum 3:1 gegen Nordmazedonien irritierte, in Amsterdam war er als Abwehrchef ein Schatten seiner selbst.

In Schöttels Anforderungsprofil steht vermutlich geschrieben, man müsse die Gabe besitzen zu beruhigen. "Gegen Nordmazedonien haben wir als Favorit gewonnen, gegen die Niederlande als Außenseiter verloren." Insofern war auf Österreich bisher Verlass, die Rollen wurden angenommen und gelebt.

Dragović legte Wert darauf zu betonen: "Wir haben uns nach dem Auftakterfolg nicht überschätzt, keiner hat abgehoben." Er ist Kenner des ukrainischen Fußballs, hat drei Jahr für Dynamo Kiew gedient. Bis 2016 und erfolgreich. Einer seiner Mitstreiter war Andrij Jarmolenko, das aktuelle Herz der ukrainischen Mannschaft. "Sein linker Fuß ist überragend." Generell sei die Ukraine kompakt, "mit uns auf Augenhöhe". Die Weltrangliste belegt das, die Nummer 23 trifft auf die 24. Österreich ist einen vernachlässigbaren Hauch besser platziert.

Hoffen auf Arnautović

Die Lösung aller Probleme könnte Marko Arnautović sein. Gegen die Niederlande wegen Beleidigung gesperrt, brennt er auf Wiedergutmachung. Dragović über seinen Spezi: "Er kann alles, was wichtig für uns ist." Schöttel bestätigt das, warnt allerdings davor, alle Erwartungen auf einen Spieler zu bündeln. "Ja, er ist ein besonderer Typ, kann zwei Verteidiger binden und beschäftigen. Marko ist absolut unberechenbar. Für den Gegner und manchmal auch für die eigene Mannschaft."

Lazaro droht EM-Aus

Valentino Lazaro droht indes auszufallen. Der Flügelspieler hat sich im Spiel am Donnerstag eine Muskelverletzung im rechten Oberschenkel zugezogen. Das bestätigte der ÖFB am späten Freitagabend nach einer MRT-Untersuchung. Lazaro bleibt laut ÖFB-Angaben bis auf weiteres im Teamcamp in Seefeld und wird sich dort Behandlungen unterziehen. Ob im Turnierverlauf ein weiterer Einsatz möglich sei, bezeichnete der Verband in einer Mitteilung als "fraglich".

Die Ausgangslage

Die Ausgangslage in der Gruppe C ist klar. Die Niederlande stehen über den Dingen, die Nordmazedonier darunter. Die Ukraine und Österreich haben je drei Punkte. Die Tordifferenz ist gleich, aber Fodas Mannen haben einen Treffer weniger erzielt. 3:3 und 4:4. Bei einem Remis wäre die Ukraine Zweiter. Österreich hätte auch vier Zähler, würde vermutlich zu den vier besten Gruppen-Dritten zählen.

Es ist fast auszuschließen, dass sich die Teams nicht wehtun, auf ein Remis aus sind. Bei der WM 1982 gab es das skandalöse Scheiberln mit Deutschland, die Deutschen siegten 1:0, beide sind weitergekommen. Schöttel sagt: "Wir wollen unbedingt gewinnen." Dragović sieht das genau so. Wobei er schon zugeben musste, "dass wir auch gegen die Niederlande gewinnen wollten". (Christian Hackl, 18.6.2021)