Vor der Arena Nova, einer Eventhalle in einem industrielleren Teil Wiener Neustadts, machte sich am Samstag ein Hauch Volksfeststimmung breit. Eine Trachtenkappelle musizierte schwitzend in der prallen Hitze, vereinzelt gab es unter den 760 Delegierten der FPÖ schon am Vormittag Bier zur Schnitzelsemmel, im Inneren war der Donauwalzer zu hören. Die Freiheitlichen reisten sichtlich mit guter Laune aus allen Bundesländern zum außerordentlichen Bundesparteitag nach Niederösterreich, um den designierten FPÖ-Chef Herbert Kickl offiziell zur blauen Spitze zu wählen.

Es galt nach dem öffentlich ausgetragenen Machtkampf zwischen Kickl und dem zurückgetretenen Norbert Hofer wieder Geschlossenheit zu demonstrieren. Die Delegierten wählten Kickl mit 88,24 Prozent zum Parteichef. Sein Vorgänger Norbert Hofer, der 2019 in Graz 98,25 Prozent erreichte, übergab versöhnlich. Neuer Obmann-Stellvertreter der Bundespartei wurde Udo Landbauer, Chef der niederösterreichischen Landesgruppe und Gastgeber des Parteitags.

Der Ton macht die Musik: Künftig gibt der oppositionelle Aufwiegler Herbert Kickl als Parteichef den Takt in der FPÖ vor.
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Kickl war "tief beeindruckt und tief berührt" von der Wertschätzung der blauen Delegierten. Das mache den Rucksack nicht leichter, aber Kickl, der passionierte Bergsteiger, sieht sich fit dafür. Er habe schon ganz andere Sachen "nach oben gezaht", betonte er. In seiner Rede sagte der Kärntner allen voran einmal mehr der türkisen ÖVP von Kanzler Sebastian Kurz, dieser "Karrieristenbagage", wie Kickl es nannte, mit aller Schärfe den Kampf an. ÖVP-Klubchef August Wöginger vermutete der neue FPÖ-Chef schon zappelnd vor dem Livestream des freiheitlichen Parteitags.

"Wir gehen auf den Platz, um zu gewinnen", sagte Kickl in Fußballmanier. "Wir spielen auf Sieg." Kickl will nun führen, weil es notwendig ist, aber zulassen. "Wenn ich nur halb so bös oder wild wäre, dann wäre meine Frau schon längst davongelaufen oder meine Mitarbeiter in Scharen – das Gegenteil ist der Fall." Was die künftige Ausrichtung betrifft, wird sich Kickl "gerne auch rechts" zeigen. Vieles von dem, was heute als rechts verunglimpft werde, sei aus Sicht des neuen FPÖ-Chefs ohnehin schlicht normal.

An Hofer: "Wir werden dich ganz sicher brauchen"

In der Halle herrschte Maskenpflicht auf den Delegiertenlätzen, die von manchen dennoch zumindest zeitweise nicht eingehalten wurde. Ob die Funktionäre genesen, getestet oder geimpft sind, wurde am Eingang nicht aktiv kontrolliert, wie ein Sprecher der FPÖ auf Nachfrage bestätigte.

Kickl wurde in der Arena Nova mit Standing Ovations empfangen. Ebenso wurde Hofer verabschiedet. In minutenlangen Reden erinnerten Parteifunktionäre an die Verdienste des Ex-Parteichefs. "Du bist heute ganz sicher der Bundespräsident der Herzen", sagte etwa Harald Stefan, der die FPÖ bis zum Parteitag als ältester Stellvertreter interimistisch führte. Als Hofer die Partei nach der folgenschweren Ibiza-Affäre übernahm, habe er sich "brutal selbst ausgebeutet". Stefan wünschte Hofer, dass er sich nun schonen kann. Nach einem Paragleiterunfall vor vielen Jahren ist Hofer gesundheitlich angeschlagen. "Wir werden dich ganz sicher brauchen", sagte der langjährige Nationalratsabgeordnete und Notar. Vermutlich ja schon für ein neuerliches Duell um die Hofburg im nächsten Jahr. "Geh in dich", bat Kickl seinen Vorgänger jedenfalls, darüber nachzudenken.

Seichte Buhrufe

Hofer selbst trat versöhnlich auf. Er zeigte sich froh darüber, dass der Obmannwechsel im Gegensatz zu früheren Zeiten nun mit "Freundschaft und Stärke" passiere. "Du hast meine Stimme, du hast meine Unterstützung", adressierte Hofer an Kickl.

Schon im Vorfeld des Parteitags war klar, dass die Kür des einstigen Redenschreibers von Jörg Haider am Parteitag ohne erwähnenswerte rebellische Zwischenfälle der Blauen vorübergehen wird. Die Rede des einzigen kritischen Delegierten, Vize der niederösterreichischen Landesgruppe, Karl Wurzer, wurde mit seichten Buhrufen quittiert.

Ein fester Händedruck aus Oberösterreich

Selbst das Umfeld um Oberösterreichs Landesvize Manfred Haimbuchner, der mit Kickl an der Spitze am wenigsten Freude haben dürfte, beginnt sich offenbar damit zu arrangieren. Die Wahl sei mehrheitlich auf den oppositionellen Aufwiegler gefallen, hieß es dort vor dem Parteitag. Daher kommt auch aus dem Industrieland Unterstützung. Haimbuchner stellte bei seiner Parteitagsrede aber klar: "Ich werde auch weiterhin meine Meinung in den Gremien sagen. Denn wenn zwei immer einer Meinung sind, ist einer überflüssig."

Dennoch werde Kickl die Kraft der Oberösterreicher "spüren". Das hat auch banale Gründe. Es galt dem neuen Parteichef ein ordentliches Votum zu verschaffen, um Geschlossenheit zu demonstrieren. Daran hat auch Haimbuchner ein Interesse. Er kann weitere interne Grabenkämpfe nicht gebrauchen – schließlich hat er Ende September eine wichtige Landtagswahl zu schlagen. Die Frage, die sich für Haimbuchner wohl eher stellt ist, wie und ob der harte Oppositionskurs Kickls, der Überschneidungen mit den rechtsextremen Identitären sieht, und die Anti-Haltung zur Kurz-ÖVP eine Fortsetzung der türkis-blauen Koalition in Oberösterreich in irgendeiner Weise beeinträchtigen können. Nach seiner Rede drückte Haimbuchner die Hand des neuen Parteichefs jedenfalls schon einmal ganz fest. (Jan Michael Marchart, 19.6.2021)