Seit Jahren ein enger Vertrauter von Wladimir Putin: Der derzeitige Außenminister Sergej Lawrow.

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Moskau – Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu und Außenminister Sergej Lawrow werden die Kandidatenliste der Kremlpartei bei der Dumawahl im Herbst anführen. Bei der Abstimmung auf einem Parteitag von "Geeintes Russland" folgten die Delegierten am Samstag damit dem Vorschlag von Präsident Wladimir Putin. Parteichef Dmitri Medwedew, der die Liste in den Jahren 2011 und 2016 noch anführte, wurde hingegen nicht als einer der fünf Spitzenkandidaten nominiert.

Nicht Medwedew

Die Entscheidung gegen den ehemaligen russischen Regierungschef, der als politischer Ziehsohn Putins gilt, bezeichnete die Politologin Tatjana Stanowaja als logischen Schritt. Medwedew sei mittlerweile eine "toxische Figur" und ein Risiko für die Partei geworden. Putin hatte Medwedew Anfang vergangenen Jahres angesichts der schweren Wirtschaftskrise in Russland als Regierungschef entlassen.

In der Vergangenheit war auch Putin selbst schon als Spitzenkandidat für "Geeintes Russland" angetreten. Es ist in der Kremlpartei üblich, dass prominente Politiker für die obersten Listenplätze bestimmt werden, ihren Sitz im Parlament nach der Wahl dann aber an Parteikollegen abgeben.

Kritik an Kurs

Ljubow Sobol, eine Vertraute des inhaftierten Kremlgegners Alexej Nawalny, kritisierte die jetzigen Spitzenkandidaten. Putin habe in seiner Rede davon gesprochen, wie wichtig Erneuerung für eine Partei sei, bemerkte sie – und habe nun mit Schoigu und Lawrow zwei Politiker vorgeschlagen, die schon seit vielen Jahren in hohen Machtpositionen seien.

Mit Blick auf die Parlamentswahlen im September versprach Putin den Russen indes mehr finanzielle Hilfen. "Das Programm des Anführers muss das Programm des Volkes sein", sagte Putin am Samstag in seiner Rede. Unter Beifall schlug er vor, mehrere Dutzend Milliarden Rubel in den öffentlichen Nahverkehr, die Infrastruktur, in Schulen und die Reinigung von Flüssen zu investieren.

Investitionsprogramm angekündigt

Vor dem Hintergrund des erneuten Aufflammens der Corona-Pandemie und der nach wie vor nur schleppend verlaufenden russischen Impfkampagne kündigte Putin außerdem ein Aufbauprogramm für den Gesundheitssektor im Umfang von mindestens 100 Milliarden Rubel (1,1 Milliarden Euro) an. Auch forderte er erneut mehr Impfbereitschaft: "Es ist besser, geimpft zu sein, als krank zu werden".

"Eine wohlhabende und starke Familie mit Kindern ist die Zukunft Russlands", sagte Putin weiter. Der Staatschef bekennt sich gerne zu traditionellen Werten und dem damit verbundenen Kampf gegen den demografischen Wandel.

Putins Partei Geeintes Russland kämpft insbesondere aufgrund der wirtschaftlichen Stagnation derzeit mit sinkenden Umfragewerten. Das regierungsnahe Meinungsforschungsinstitut Vtsiom ging zuletzt von 30 Prozent Zuspruch für die Partei und 60 bis 65 Prozent für Präsident Putin aus.

Wahl im September

Im Vorfeld der Wahlen gehen die Sicherheitskräfte seit geraumer Zeit vermehrt und massiv gegen Oppositionelle vor. Die Organisationen des bekannten inhaftierten Kremlkritikers Alexej Nawalny stuften die Behörden Anfang Juni als "extremistisch" ein. Ihre Mitglieder wurden damit von der Teilnahme an den Wahlen ausgeschlossen. Aus Angst vor Strafverfolgung haben zahlreiche Oppositionelle das Land verlassen.

Die Parlamentswahl findet vom 17. bis 19. September über drei Tage verteilt statt – nach offiziellen Angaben als Schutzmaßnahme gegen das Coronavirus. Oppositionelle beklagen aber auch, dass dies Wahlbetrug erleichtere, da es schwierig sei, die Wahlurnen drei Tage und zwei Nächte lang zu beobachten. Bereits im vergangenen Jahr hatten die Russen eine Woche lang über eine Verfassungsänderung abgestimmt, die es Putin nun ermöglicht, bis 2036 im Amt zu bleiben.

Beim Parteitag am Samstag forderte Putin, die Parlamentswahl müsse "den wahren Willen des Volkes" zum Ausdruck bringen. Parteichef Dmitri Medwedew kündigte einen "offenen" Wahlkampf für einen "ehrlichen Sieg" an.

"Ein offener Kampf und ein ehrlicher Sieg, hallo? Sie stecken alle Gegner ins Gefängnis", reagierte darauf Georgi Alburow, ein enger Mitarbeiter Nawalnys, im Kurzbotschaftendienst Twitter. (APA, 19.6.2021)