Die Band Terrorsphära ist in der rechtsextremen Szene bestens vernetzt, zum Beispiel mit Organisationen wie den Hammerskins.

Foto: EPA/Kovacs

Während unzählige Männer unter "Sieg Heil"-Rufen ihren rechten Arm in die Luft strecken, kündigt der Gitarrist auf der Bühne das nächste Lied an. Er ist maskiert, hat eine sportliche Statur, die Baseballkappe trägt er verkehrt herum. Der Musiker ist der bislang unerkannte Kopf der Band Terrorsphära – Österreichs Exportschlager in Sachen Neonazi-Hardcore.

Manuel E. aus Osttirol steht auf der Bühne des größten rechtsextremen Metal-Festivals Europas in der ukrainischen Hauptstadt Kiew. "Ich schau mir Ihre Fragen gerne an. Dann werde ich sehen, ob ich bereit bin, Ihnen Rede und Antwort zu stehen," sagte Manuel E. am anderen Ende der Leitung. Das war er dann aber nicht. Weder hat E. Fragen zu Terrorsphära oder seinen Verbindungen zu den Hammerskins beantwortet, noch zu seinen Bekanntschaften unter ukrainischen Rechtsextremisten – dabei hätte er eine ganze Menge zu erzählen. Immerhin ist der 35-Jährige ein emsiger Vernetzer der Neonazi-Szene.

Extrem rechter Netzwerker

Schon Anfang der 2000er besuchte der Lienzer Hotspots der rechtsextremen Szene, wie das Ulrichsberg-Treffen in Kärnten oder den Rudolf-Hess Marsch in Bayern. Wegen rassistischer Gewaltverbrechen und des Verstoßes gegen das NS-Verbotsgesetz landete er gleich mehrmals vor Gericht – und schließlich drei Jahre hinter Gitter. Damit verschwand Manuel E. erstmals von der Bühne.

Heute, viele Jahre später, gibt sich der gelernte Fliesenleger zugeknöpft. Aktuelle Bezüge zur Neonazi-Szene? Keine Antwort. Manuel E. stecke seine ganze Zeit in Familie und Sport, so sein Trainer eines Lienzer Taekwondo-Vereins. Er sei der festen Überzeugung, "alles sei mit Gefängnisstrafen abgebüßt", und E. distanziere sich vom NS-Gedankengut. Auch die International Street Defence Organization, für die Manuel E. in Osttirol Selbstverteidigungstrainings anbot, will ausschließen, einen "politischen Extremisten" ausgebildet zu haben.

Und dennoch: Manuel E. ist zurück, als Netzwerker in der deutschsprachigen extremen Rechten – und weit darüber hinaus. Den österreichischen Behörden ist E. und sein Umfeld auf Anfrage des STANDARD bekannt. Der deutsche Verfassungsschutz spricht von "Kontakten zu neonazistischen Strukturen".

Ebendiese Kontakte reichen von Australien über Portugal bis nach Russland und Deutschland. Und immer wieder sind es rechtsextreme bis militante Kreise, die mithilfe von Kampfsport, Lifestyle und Musik eine "wehrhafte Volksgemeinschaft" aufbauen wollen, wie sie es nennen.

Kampfsport und Musik

Dreh- und Angelpunkt des extrem rechten Aktivismus des E. sind Kampfsport und seine Bands. Der Osttiroler spielt nämlich gleich in mehreren. Die bekannteste davon, Terrorsphära, ist Robert Claus zufolge "eine der wichtigsten Bands des NS-Hardcore im deutschsprachigen Raum, die ihre nationalsozialistische Ideologie nicht allein musikalisch vertritt". Nur war bisher unbekannt, wer sich hinter der Band verbirgt. Ablichten ließen sich die Musiker stets vermummt.

Terrorsphära sei tief in ein Netzwerk militanter Neonazis eingebettet, so Claus. Der Sozialwissenschafter Robert Claus arbeitet für die "Kompetenzgruppe Fankulturen und Sport bezogene Soziale Arbeit" in Hannover. Er beschäftigt sich seit Jahren mit rechtsextremen Umtrieben im Sport. In seinem Buch "Ihr Kampf. Wie Europas extreme Rechte für den Umsturz trainiert" wird Manuel E.s Band Terrorsphära als "musikalisches Aushängeschild der Neonazi-Kampfsport-Szene" bezeichnet.

Tatsächlich tritt die Band fast ausschließlich bei extrem rechten Kampfsport-Events auf. Antifaschistische Rechercheblogs wie "Exif-Recherche" oder "Runter von der Matte" dokumentieren: in Frankreich, in Deutschland, in Portugal, in Griechenland oder eben in der Ukraine. Organisiert werden die Wettkämpfe stets mithilfe gefährlicher rechtsextremistischer Strukturen: In Frankreich ist es das verbotene militante Neonazi-Netzwerk "Blood & Honour"; in Griechenland die "Goldene Morgenröte", jene Partei, deren Spitze 2020 wegen Totschlags, Körperverletzung, Erpressung, Sprengstoffanschlägen und Geldwäsche als kriminelle Vereinigung verurteilt wurde; in Portugal trat Terrorsphära unter dem Titel "NS Beatdown" im Clubhaus der Hammerskins auf. Erst ein Jahr lag es damals zurück, dass 20 Hammerskins bei portugalweiten Razzien wegen Hassverbrechen verhaftet wurden. Kein Wunder: Die Hammerskins sind eine weltweit vernetzte und im Untergrund agierende militante Neonazi-Vereinigung. Insbesondere in den USA werden ihr zahlreiche rassistische Morde zur Last gelegt.

Als Terrorsphära 2016 bei einem Geheimkonzert im deutschen Sachsen-Anhalt zur Unterstützung verurteilter "Kameraden" spielte, war auch der "treueste Unterstützer" der rechtsterroristischen Gruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" vor der Bühne: Andre E.. Zwei Wochen nach seiner Verurteilung als NSU-Unterstützer posiert er auf dem Gruppenfoto eines einschlägigen Thüringers Kampfsportvereins. Neben ihm: Manuel E..

Immer wieder lässt sich der Osttiroler mit extrem rechter Prominenz ablichten: In Kiew etwa mit Olena Semenyaka, maskiert natürlich. Semenyaka ist Auslandskorrespondentin des extrem rechten ukrainischen Batallion Asow. Sie hat erst im Januar ein Stipendium des Wiener Instituts für die Wissenschaften vom Menschen verloren. Fotos der Frau mit gehisster Hakenkreuzfahne waren ihr zum Verhängnis geworden.

Gewalterprobt und bewaffnet

Neben Semenyaka sind zwei weitere Bandkollegen zu sehen: Tobias R. aus Lienz, Gitarrist bei Terrorsphära, und Ralph S. aus dem Bezirk Schärding. "Die beste Verteidigung gegen schlechte Männer sind gute Männer, die gewalterprobt sind" so ein Spruch auf Instagram. Auf dem Bild: ein tätowierter Arm, in der Hand eine Glock 17, Kaliber 9×19 mm, und ein Armeemesser.

Die Hand gehört zu Ralph S., dem zweiten Sänger von Terrorsphära. Auf Social Media posiert er mit Maschinengewehren, im Schießstand oder im Military Outfit. Auf der Brust prangt ein Aufnäher der Misanthropic Division, einer Neonazi-Kampfeinheit aus der Ukraine. Auf dem Foto nicht zu sehen ist Philipp L. aus Thüringen, Gitarrist bei Manuel E.s Band und Mitorganisator des größten extrem rechten Kampfsport-Events Europas "Kampf der Nibelungen", genauso wenig wie Harald K. aus Matrei in Osttirol.

Auch Harald K. wurde in der Vergangenheit nach dem NS-Verbotsgesetz verurteilt. Neben seiner Tätigkeit als Einsatzleiter bei der heimischen Bergrettung singt K. seit Jahren unerkannt auf Neonazi-Konzerten. Dabei bemühte auch er sich, stets anonym zu bleiben. Schließlich gröhlt Harald K. in seinen Liedern verklausulierte Blut-und-Boden-Romantik und Kriegsrhetorik. Im Lied "Lebende Kreuze" huldigt er dem rumänischen Faschistenführer Corneliu Codreanu. Und das neuste Werk des österreichischen NS-Exportschlagers ist eine Kooperation mit der bekanntesten Neonazi-Band Australiens, Deaths Head. Die Kontakte reichen um die ganze Welt. Auch das wollte E. nicht kommentieren.

Modernisiert und rechtsextrem

Die bislang unerkannten Musiker repräsentieren dabei eine modernisierte Version der extrem Rechten: Sportklamotten, Turnschuhe und Shirts mit Parolen wie "Stärke durch Disziplin". Das predigen E. und seine Kameraden zumindest über ihren ideologischen Verband Wardon21: Kampfsport, veganes Essen und ein drogenfreier Lebensstil für die "Volksgesundheit". Bei der Volksküche wird das "Triumph des Willens"-Menü aufgetischt, und am 20. April 2019, an Hitlers Geburtstag, hielt Wardon21 in der sächsischen Schweiz einen "Führermarsch" ab. "Am heut'gen Tag, zum Wiegenfest, woll'n wir wahrlich streiten, für die Idee, die Er gebar" postete ein Teilnehmer online.

Fitness und "Wehrhaftigkeit" werden bei E.s Leuten großgeschrieben. Er selbst habe Erfahrung in verschiedenen Kampfsportarten, ihm sei aber das "jeweilige Regelwerk" als "hinderlich für reale Konfrontationen erschienen", behauptete ein Pseudonym, hinter dem mutmaßlich E. steckt, in einem einschlägigen Onlineforum.

Der Sozialwissenschafter Robert Claus sieht das Ziel des Kampfsports in rechtsextremen Kreisen darin, "eine Bewegung trainierter und kampferprobter politischer Soldaten zu schaffen". Verfolgen auch die Osttiroler dieses Ziel? Bilder zeigen Manuel E., und seine Bandkollegen in einem Lienzer Taekwondo-Verein beim Training mit Stöcken, mit Messern und im Nahkampf. Er jedenfalls wolle nur "Respekt, Geduld und Mitgefühl" vermitteln beteuert der Clubbetreiber, das "traditionell koreanische Gedankengut". (Christof Mackinger, 20.6.2021)