Die Deutschen spielten endlich wieder mit Freude.

Foto: imago/Jan Huebner

Mit einem 4:2 (2:1) gegen Titelverteidiger Portugal, dem nach seinem Führungstreffer durch Cristiano Ronaldo zwei Eigentore unterliefen, hat die deutsche Nationalmannschaft die Tür zum Achtelfinale der EM aufgestoßen. "Das war", sagte Bundestrainer Joachim Löw erstaunlich unaufgeregt und lapidar, "eine Klasseleistung unserer Mannschaft."

Sprechchöre der begeisterten deutschen Zuschauer hatte es bereits in der 62. Minute gegeben – für den Mann des Spiels: "Robin Gosens", hallte es durch die mit 14.000 Besuchern besetzte Arena. Der herausragende Dampfmacher auf der linken Seite war an allen vier deutschen Toren beteiligt: an den Eigentoren durch Ruben Dias (35.) und den Dortmunder Raphael Guerreiro (39.) ebenso wie an jenem des hervorragenden Kai Havertz (51.) – und an seinem eigenen (60.).

Ein Punkt gegen Ungarn könnte zu wenig sein

"Robin hat das gut gemacht, aber nur sechzig Minuten. Er spielt halt in Italien", scherzte Thomas Müller über den Mann von Atalanta Bergamo, der in der 62. Minute jedoch angeschlagen ausgewechselt werden musste. Gosens war der Beste einer wie ausgewechselt spielenden DFB-Elf. "Dass es gut werden kann, haben wir vor dem Spiel gewusst", sagte Müller, "unabhängig vom Gegentor haben wir losgelegt wie die Feuerwehr. Die Energie war da. Wir hatten deutlich mehr Freude in der Offensive."

Der Sieg nach der besten deutschen Turnierleistung seit dem WM-Finale 2014 war mehr als verdient – und ist doch nur ein Zwischenschritt auf dem Weg ins Achtelfinale: Um sicher dorthin zu gelangen, ist ein Dreier gegen Ungarn am Mittwoch (21.00/ZDF und MagentaTV) erneut in München Pflicht. Für einen der ersten beiden Plätze könnte ein Punkt zu wenig sein.

Baustellen hat die deutsche Mannschaft nach wie vor. Sinnbildliche Warnung waren die zwei Gegentore. Defensive Umschaltmomente wie bei Cristiano Ronaldos erstem Tor und vor allem die Standard-Verteidigung beim zweiten Gegnertreffer durch Diogo Jota demonstrierten dies.

Auch Portugal ist unter Zugzwang. Teamchef Fernando Santos Santos stellte vor dem letzten Gruppenmatch gegen Frankreich die kämpferische Komponente in den Vordergrund. "Wir müssen in der Lage sein, nicht nur mit unseren technischen Fähigkeiten erfolgreich zu sein. Denn wenn wir immer den Ball verlieren, dann lohnen sich auch die technischen Fähigkeiten nur bedingt."

Die Pressestimmen

Portugal:

Público: "Portugal hat sich doch vor der "Mannschaft" erschrocken. Es konnte sich während des ganzen Spiels praktisch nie von dieser lähmenden Angst befreien und verließ München nach der 2:4-Pleite gedemütigt."

Jornal de Noticias: "Das Leben ist schwer. Eine schreckliche Vorstellung und zwei Eigentore verlegen die Entscheidung über das Weiterkommen auf das Spiel vom Mittwoch gegen Frankreich."

Record: "Vorgeführt! Es hat an Aggressivität gemangelt. Portugal machte nur fünf Fouls. Gosens und Kimmich haben uns auf den Flügeln zerstört. Die Ehrfurchtslosigkeit von Renato kam zu spät."

Frankreich

L'Equipe: "In einem verrückten Spiel brilliert Deutschland trotz eines Rückstandes gegen Portugal. Die Spannung in der Gruppe F bleibt erhalten. Die Deutschen haben eine Leistung von hohem Niveau gezeigt. Zwei Eigentore in einem einzigen EURO-Spiel hat es noch nie gegeben."

Ouest France: "Ein großer Festschmaus in München! In einem hochklassigen Spiel hat 'Die Mannschaft' Portugal eine Lehrstunde erteilt. Mit ihr muss gerechnet werden."

England

Telegraph: "Deutschland macht Randale: Mit vier Toren vernichtet Deutschland Titelverteidiger Portugal."

Daily Mail: "Deutschland zwingt Portugal in die Knie: Es war DAS Spiel dieser EURO – Havertz und Gosens treffen, dazu zwei Eigentore. Für Ronaldo und Co. geht es jetzt in der Todesgruppe F gegen Frankreich."

Niederlande

Voetbal International: "Entfesseltes Deutschland legt Portugal gnadenlos auf die Folterbank. Robin Gosens spielte eine Hauptrolle in der deutschen Show. Nach dem falschen EM-Start war Deutschland scharf aus auf einen Erfolg gegen Portugal. Gegen den Titelverteidiger musste die Wiederauferstehung der Mannschaft gelingen, um zu verhindern, dass die Jagd auf den europäischen Titel schon im voraus scheitern sollte."

Spanien

Marca: "Deutschland holt beim besten Spiel der EM die Keule raus. Portugal und Cristiano träumen zu Beginn, lassen dann aber nach gegen das enorme Spiel von Löws Männern. Deutschland widmete dem Fußball eine Ode, sie zeigte. dass sie alles erreichen kann."

AS: "Deutschland ist noch so ein Biest. Das Biest war Gosens. Wahnsinnsspektakel des linken Verteidigers der deutschen Nationalmannschaft mit zwei Vorlagen und einem Tor."

Italien

Gazzetta dello Sport: "Eine deutsche Symphonie: Nach dem missglückten EM-Debüt gegen Frankreich bestätigt Löws Truppe, dass die Deutschen im Fußball nie sterben." (sid, red, 20.6.2021)