Bundeskanzler Kurz schenkte Lukaschenko einst ein Paar Holzski; das war freilich vor der Eskalation nach den belarussischen Wahlen im August 2020

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Hat die österreichische Regierung versucht, Sanktionen gegen das Regime in Belarus abzumildern? Diese Frage stellt sich seit vergangener Woche, als "Politico" mehrere EU-Diplomaten mit kritischen Tönen Richtung Wien zitiert hat. Die Bundesregierung soll dafür gekämpft haben, den Effekt von Sanktionen für heimische Unternehmen zu minimieren, hieß es. Von Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) kam ein striktes Dementi, mittlerweile steht eine Einigung.

Die Berichte illustrieren jedenfalls gut, wie Interessen im Dreigespann zwischen EU-Kommission, EU-Parlament und nationalen Regierungen kollidieren können. Ein Blick auf das Abstimmungsverhalten der österreichischen EU-Parlamentarier zeigt eine strikte Linie gegenüber Belarus: In jeder Abstimmung sprachen sich alle EU-Parlamentarier abseits der FPÖ-Delegation für Sanktionen und eine Unterstützung der Protestbewegung aus, zuletzt Mitte Juni aufgrund der erzwungenen Landung eines Ryanair-Flugs in Belarus. Im Unterschied zu anderen rechtsnationalen Parteien ihrer Fraktion, wie beispielsweise der AfD, enthielten sich die blauen Mandatare der Stimme, anstatt gegen Sanktionen zu stimmen. Sie verfolgen damit ihr Prinzip der Nicht-Einmischung in andere Staaten.

Patenschaften und Treffen mit der Opposition

Mehrere Abgeordnete haben auch eine "Patenschaft" für belarussische Gefangene übernommen, organisiert wird das von der NGO Libereco. Die Parlamentarier kümmern sich damit persönlich um die Belange des jeweiligen Dissidenten; aus Österreich sind etwa Lukas Mandl (ÖVP), Andreas Schieder (SPÖ), Thomas Waitz (Grüne) und als Nationalratsabgeordneter Helmut Brandstätter (Neos) dabei.

Alle Parteien außer der FPÖ nahmen an einem Treffen mit der Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja Ende April in Wien teil, das die grüne Nationalratsabgeordnete Ewa Ernst-Dziedzic initiiert hatte. Auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Kanzler Sebastian Kurz trafen Tichanowskaja.

Vorreiter bei der Annäherung an Diktator Lukaschenko

Allerdings trat die Staatsspitze nicht immer so klar gegen Lukaschenko auf. Die Präsidentschaftswahlen in Belarus im August 2020 samt anschließenden Protesten wegen Wahlfälschungen eskalierten zwar die Situation noch einmal, als "letzter Diktator Europas" war Lukaschenko jedoch schon jahrzehntelang bekannt. Es war vor allem Österreich, das dem belarussischen Machthaber nach einer Annäherung an die EU den roten Teppich ausrollte.

So war Österreich das erste EU-Land, das Lukaschenko offiziell empfing: Im November 2019 fanden in Wien Treffen mit Van der Bellen, Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) und ein Abendessen mit Kanzler Kurz statt. Schon zuvor waren heimische Politiker nach Belarus gereist. Van der Bellen nahm an der Grundsteinlegung eines österreichischen Denkmals im ehemaligen NS-Vernichtungslager Maly Trostenec teil; Außenministerin Karin Kneissl besuchte im Jänner 2019 die österreichische Botschaft in Minsk. Zwei Monate später flog der Kanzler in die belarussische Hauptstadt, als diplomatisches Geschenk an Lukaschenko nahm er ein Paar Holzski mit.

Starke wirtschaftliche Verbindungen

Die Ouvertüren hatten einen wirtschaftlichen Hintergrund: Österreichische Unternehmen sind nach russischen die zweitgrößte Investorengruppe im Land. Eine Tochterfirma der Telekom ist dort der größte private Internetanbieter, A1 Belarus setzt auch staatlich angeordnete Netzsperren um; außerdem gibt es Vorwürfe der Überwachung, die das Unternehmen dementiert. Über achtzig heimische Unternehmen haben Kapitalbeteiligungen in Belarus; auch der Bankensektor ist in Minsk gut vertreten. Die Raiffeisen International-Tochter Priorbank hat eigenen Angaben zufolge 800.000 Kunden in Belarus.

Neunzig Prozent der Mittel, die sich Belarus von EU-Ländern leiht, sollen aus Österreich stammen: Das ginge aus Unterlagen hervor, die in einer Arbeitsgruppe der EU-Kommission zu Sanktionen präsentiert wurden, berichtete Politico. Demzufolge wären Sanktionen im Bankensektor auch ein Schlag für die heimische Wirtschaft gewesen. Am Freitag schrieb Schallenberg jedenfalls auf Twitter, dass man sich auf Sanktionen geeinigt habe. Am Montag sollen Details bei einem Treffen der EU-Außenminister mit Oppositionsführerin Tichanowskaja besprochen werden. (Fabian Schmid, 20.6.2021)