Autorin Nava Ebrahimi. gebürtige Iranerin, lebt mit ihrer Familie in Graz.

Foto: ORF/LST KÄRNTEN/CLARA WILDBERGER

Sie sei "sehr froh, jetzt auch mal was sagen zu dürfen", lauteten die ersten Worte von Nava Ebrahimi als frischgebackene Bachmannpreisträgerin. Die Teilnahme am Bewerb sei für sie eine "sehr radikale Vorstellung" gewesen, Hoffnungen auf einen Preis habe sie sich gemacht, aber auf den Hauptpreis dann doch nicht. Man sah es nicht, aber sie saß dabei mitten im Legospielzeug ihrer Kinder in Graz.

Dort lebt die 1978 in Teheran geborene Autorin seit 2012. Als sie drei Jahre alt war, waren ihre Eltern vor dem radikalislamischen Regime im Iran nach Deutschland geflüchtet, wo sie in Köln heimisch wurden. Nach der Schule studierte Ebrahimi Volkswirtschaftslehre und Journalismus, arbeitete bei der Financial Times Deutschland und als Nahostreferentin für die deutsche Außenwirtschaftsförderung. Nach Graz kam sie ihres Mannes wegen, eines Astrophysikers. Das Paar hat zwei Söhne.

Literatur und Lego.

"Österreich hat mich tatsächlich endgültig zur Deutschen gemacht. In Österreich ist das Markante an mir, dass ich Hochdeutsch spreche", stellte Ebrahimi einmal fest. Österreich erwies sich aber auch als gutes Pflaster für ihr Schreiben. Nach kürzeren Texten wurde ihr erster Roman Sechzehn Wörter 2017 beim Österreichischen Buchpreis mit dem Debütpreis ausgezeichnet. Vergangenes Jahr ist Das Paradies meines Nachbarn (BTB) erschienen, das von einem iranischstämmigen Produktdesigner in München erzählt, der seine umkämpfte Heimat hinter sich gelassen zu haben meint. Der erste Lockdown hat das Buch vergangenes Jahr viel Aufmerksamkeit gekostet, klagte Ebrahimi damals dem STANDARD. Nun hofft sie, dass es eine zweite Chance bekommt.

Nava Ebrahimi mit ihrem Roman "Das Paradies meines Nachbarn" 2020 auf der Corona-Stage des STANDARD.
DER STANDARD

Ebrahimis Bücher sind intelligent und humorvoll, Privates und Politik gehen Hand in Hand, Kulturen treffen aufeinander. Ihre Literatur zeige, "was es heißt, in kulturellen Überlappungsbereichen zu schreiben", lobt Klaus Kastberger, der sie für Klagenfurt nominiert hat. Ebrahimi hatte den Text zur Sicherheit bei zwei Juroren eingereicht. Sein Entstehen war ein Glücksfall: Die kurze Form war das Einzige, das ihr während Corona zu schreiben möglich war. Nicht autobiografisch, hat Der Cousin in ihrer Verwandtschaft aber Vorbilder.

Familie bestimmt auch ihre nächste Publikation Einander, die mit Geschichten und Fragen Menschen zum Erinnern, Reden bringen will. Literatur ist für Ebrahimi "der Weg, mit den Widersprüchen des Lebens fertigzuwerden". Davon können nun wohl einige Leser mehr profitieren. (Michael Wurmitzer, 20.6.2021)