Jaha Koo wird auch kommende Saison mit einer weiteren seiner Arbeiten, "The History of Korean Western Theater", in Wien gastieren.

Foto: Thomas Lenden

Englisch ist eine sogenannte Weltsprache. Das Gute daran ist, dass sie – wenn auch nur behelfsmäßig – eine weltweite Verständigung ermöglicht hat. Weltsprachen haben ihre Schattenseiten: Sie können zur Unterdrückung missbraucht werden oder eine Art Stockholm-Syndrom auslösen. Im zweiten Fall werden sie von unterworfenen Kulturen als attraktiver oder "cooler" angesehen als deren eigene Sprache.

Das kennt man nicht nur in Europa, sondern zum Beispiel auch in Südkorea. Von dort stammt der Performancekünstler und Komponist Jaha Koo, der gerade sein Stück Lolling and Rolling im Tanzquartier Wien gezeigt hat. Für die kommende Saison plant das Haus die Präsentation einer weiteren seiner Arbeiten: The History of Korean Western Theater.

Vorgestellt hat sich Koo in Österreich bereits 2017 beim Grazer Steirischen Herbst mit seinem so fabelhaften wie tragischen Solo Cuckoo, das im Folgejahr bei Impulstanz in Wien zu sehen war und zu einem internationalen Festivalhit geworden ist. Darin geht es um den Irrsinn der übersteigerten Leistungsgesellschaft in Südkorea.

Wie Cuckoo ist auch Lolling and Rolling eine Ein-Mann-Performance mit Text, Videos und Sound. Der heute in den Niederlanden lebende Künstler steht selbst hinter seiner Turntables-Maschine und holt zu einem mit ruhiger Hand geführten, aber heftigen Rundumschlag gegen Sprachkolonisierungen aus.

Die Unterwerfung Koreas

Vor neun Jahren, erzählt Koo im Stück, ist er nach Amsterdam übersiedelt und hat Englischstunden genommen. In dem 80-jährigen Amerikaner Jack fand er einen einfühlsamen Lehrer. Jack hatte als US-Soldat am Koreakrieg teilgenommen. Koo tat sich schwer mit dem Englischlernen. Noch schwerer aber wiegt sein Erinnern an die koreanische Kolonialgeschichte.

Er bringt die Unterwerfung Koreas durch Japan 1910 ebenso ins Spiel wie den Koreakrieg mit rund vier Millionen Todesopfern Anfang der 1950er-Jahre. Unter der japanischen Herrschaft wurde 36 Jahre lang versucht, die koreanische Kultur auszulöschen. Einen Tag nach der japanischen Niederlage im Zweiten Weltkrieg besetzten amerikanische Truppen Korea.

Heute ist das Land eine Art Musterschüler des Hochleistungskapitalismus. Dazu gehört auch, perfektes Englisch zu sprechen. Manche Eltern lassen ihren Kindern sogar das Zungenbändchen durchtrennen, damit sie das englische "r" besser aussprechen können. Die Art, wie Jaha Koo von der Traumatisierung dieses Landes erzählt und wie er diese Erzählung mit Bildern unterlegt, wirkt weniger wie ein didaktischer Vortrag, sondern ähnelt einem langen Song mit nüchternen Lyrics und hartem visuellem "Sound". (Helmut Ploebst, 21.6.2021)