Gerade junge IT-Unternehmen können durch flexible Vergabeverfahren Zugang zu öffentlichen Aufträgen erhalten.

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In der Politik scheint Konsens zu herrschen, dass die Förderung von Innovation und Start-ups wesentlich für die Zukunft des Wirtschafts- und Innovationsstandorts Österreich ist. Trotz zahlreicher Förderungen lässt die öffentliche Hand einen wesentlichen Hebel zur Innovationsförderung beinahe unangetastet: die Beschaffung durch die öffentliche Hand.

Nach aktuellen Prognosen wird der Anteil der öffentlichen Ausgaben am Bruttoinlandsprodukt 2021 über 50 Prozent betragen. Der öffentliche Beschaffungsmarkt macht dabei einen wesentlichen Anteil von rund 15 Prozent des Gesamt-BIP aus. Aber gerade bei öffentlichen Ausschreibungen bestehen große Hürden für Start-ups und Newcomer-Unternehmen.

Schon die Grundregeln des Bundesvergabegesetzes (BVergG) stellen stark auf etablierte Unternehmen ab: So dürfen öffentliche Auftraggeber Aufträge nur an "befugte, leistungsfähige und zuverlässige (geeignete)" Unternehmer vergeben (§ 20 Abs. 1 BVergG). Zum Nachweis dieser Eignung werden meist Mindestumsätze festgelegt, die in den letzten drei Jahren erwirtschaftet werden mussten, oder Nachweise von erfolgreich erbrachten Referenzprojekten gefordert.

Ab bestimmten Auftragsgrößen müssen bereits Multimillionen-Umsätze oder -Projekte nachgewiesen werden. Für Jungunternehmen, die womöglich erst vor einem Jahr gegründet wurden, ist dies eine unüberwindbare Hürde. Und ohne Erfüllung der Eignung gibt es keinen Auftrag.

Nicht ausschließen

Da sich die öffentliche Hand den beinahe vollständigen Ausschluss von Start-ups und vergleichbaren Unternehmen weder leisten sollte noch kann, sollten Auftraggeber ihre Ausschreibungen mehr vor dem Hintergrund einer Start-up-Förderung betrachten.

Zwar wird dies bei einem Megabauprojekt nicht unbedingt sinnvoll sein; bei Beschaffungen von innovativen Dienstleistungen oder Lieferungen, etwa im IT-Bereich, aber schon – auch vor dem Hintergrund, dass die Pandemie der Digitalisierung nochmals Vorschub leistet und der Staat hier nicht nachhinken darf.

Öffentliche Auftraggeber als Herren des Vergabeverfahrens können in erster Linie die Teilnahme von Newcomern durch Herabsetzen der Anforderungen an die finanzielle und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit erleichtern. Sie können – abhängig vom Auftragswert und -typus – geringere Umsätze oder sogar bloße Bonitätsbestätigungen festlegen.

Bei der technischen Leistungsfähigkeit können sie den Bieterkreis durch geringere Anforderungen an den Auftragswert der Referenzen erweitern, indem sie die Referenzen primär qualitativ und weniger quantitativ beschreiben. Dabei sollten auch Referenzen von privaten Auftraggebern berücksichtigt werden, die weniger strengen Anforderungen beim Einkauf unterliegen und eher ein innovatives Unternehmen einmal ausprobieren.

Direktvergabe bei geringeren Auftragswerten

Bei geringeren Auftragswerten können Aufträge im Wege einer Direktvergabe (unter 100.000 Euro) oder mittels Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung (unter 130.000 Euro bei Dienstleistungen und 500.000 Euro bei Bauaufträgen) vergeben werden. Hier ist das Vergaberegime auch bei den Mindest-Eignungsanforderungen weniger strikt, sodass solche Aufträge ein guter Einstieg für Start-ups in die Welt der öffentlichen Aufträge sein können.

Für größere Auftragsvolumina wurde mit dem BVergG 2018 sogar eine eigene Verfahrensart für die Beschaffung innovativer Leistungen geschaffen – die Innovationspartnerschaft, die eine Entwicklung von innovativen Leistungen oder Produkten sowie einen nachfolgenden Erwerb dieser durch den Auftraggeber ermöglichen soll.

Dabei geht es meist um längere Forschungs- und Innovationsprozesse für Leistungen, die in der gewünschten Form nicht am Markt verfügbar sind. Das Verfahren ähnelt dabei einem Verhandlungsverfahren mit einer Entwicklungs- und der folgenden Erwerbsphase, jedoch mit weniger strengen Regelungen zur Eignung.

Interessant kann für einzelne Auftraggeber auch die Ausnahmebestimmung betreffend Forschungs- und Entwicklungsdienstleistungen sein – sogenannte Auftragsforschung. Einige dieser Aufträge sind unter bestimmten weiteren Voraussetzungen vom Anwendungsbereich des BVergG ausgenommen. (9 Abs 1 Z 12 BVergG). Kofinanzierte Forschung soll dabei im Wesentlichen ganz ausgenommen sein. In einem solchen Fall können Aufträge an einen Newcomer außerhalb des Vergaberegimes vergeben werden.

Bietergemeinschaften

Aber auch Start-ups müssen nicht zwingend die für sie passenden Ausschreibungsbedingungen abwarten. Eine Möglichkeit zum Eintritt in den öffentlichen Beschaffungsmarkt ist die Kooperation mit größeren, etablierten Unternehmen. Dies kann z. B. im Wege einer Bietergemeinschaft erfolgen, sofern beide Partner bereit sind, die solidarische Haftung zu übernehmen, oder aber als Subunternehmer eines größeren Unternehmens, das die Ausschreibungsanforderungen erfüllt.

Vor allem junge IT-Unternehmen können so leichter in den Beschaffungsmarkt eintreten und wiederum Referenzaufträge für zukünftige Ausschreibungen erlangen.

Weitere gesetzliche Erleichterungen zur Förderung von Start-ups wären durchaus wünschenswert. Es existieren jedoch auch im bestehenden Gesetzesrahmen Möglichkeiten, Innovation auch über Vergabeverfahren zu fördern. (Manfred Essletzbichler, Wolfgang Lauchner, 21.6.2021)