Im März sperrten Aktivisten Autobahn und Bundesstraße zum Flughafen, um Abschiebungen nach Afghanistan zu verhindern.

Foto: APA

Wien – Mit aller Vehemenz wies die ÖVP am Wochenende den Vorschlag von Justizministerin Alma Zadić (Grüne) zurück, die Rückführung von Asylwerbern nach Afghanistan zu evaluieren. Ein Abschiebungsstopp "kommt definitiv nicht. Das wird es mit uns nicht geben", erklärten Bundeskanzler Sebastian Kurz und Innenminister Karl Nehammer in einer schriftlichen Stellungnahme. Österreich werde weiterhin sowohl freiwillige als auch zwangsweise Rückführungen durchführen.

Abschiebungen nach Afghanistan seien EU-weite Praxis und am Ende eines negativ entschiedenen Asylverfahrens notwendig, um eine glaubhafte Asylpolitik zu vertreten. Außerdem seien rund 40 Prozent der abgeschobenen Afghanen in Österreich verurteilte Straftäter, erklärten Kanzler und Innenminister.

Justizministerin Zadić hatte sich am Freitag kritisch zu Rückführungen afghanischer Asylwerber geäußert. Sie regte eine Evaluierung und die Berücksichtigung der entsprechenden Stellungnahmen des Uno-Flüchtlingshochkommissariats (UNHCR) an. Menschenrechtsorganisationen fordern regelmäßig einen Abschiebestopp in das Land.

Die vorläufig letzte öffentlich bekanntgewordene Sammelabschiebung nach Afghanistan hatte im März zu einer großen Protestaktion und dutzenden Festnahmen und Anzeigen geführt. Aktivisten hatten die Ostautobahn und auch die Bundesstraße Richtung Flughafen Schwechat blockiert.

Verurteilt

Protestiert wurde gegen die Abschiebung von 28 Afghanen in einem Charterflug, der von Frontex organisiert wurde. 15 Personen waren von Österreich aus abgeschoben worden. Es waren erwachsene Männer, zwölf von ihnen waren laut Angaben des Innenministeriums in Österreich rechtskräftig verurteilt worden, unter anderem wegen schwerer Körperverletzung, schweren Raubes, sexueller Belästigung, gefährlicher Drohung und Suchtmitteldelikten. Das Ministerium hatte die Abschiebungen auch damit verteidigt, dass alle Asylverfahren rechtskräftig negativ abgeschlossen worden seien. Eine individuelle Gefährdung der Betroffenen in Afghanistan sei geprüft worden und konnte nicht festgestellt werden.

Geschützt

Knapp 40 Prozent der Asylantragsteller in Österreich kommen aus Syrien, mehr als 20 Prozent aus Afghanistan. In absoluten Zahlen gab es im vergangenen Jahr 14.192 Asylanträge. Laut Angaben des Innenministeriums erhält nur knapp die Hälfte der Afghanen, die einen Antrag stellen, Asyl, dafür erhalten Bürger dieses Landes besonders oft subsidiären Schutz.

Vergangene Woche war der letzte österreichische Soldat aus Afghanistan heimgekehrt. Damit endet der fast 20-jährige Einsatz im Rahmen der Nato. Die Regierung des früheren US-Präsidenten Donald Trump hatte im Februar 2020 in Doha ein Abkommen mit den radikalislamischen Taliban geschlossen, um den längsten Kriegseinsatz der US-Geschichte zu beenden. Die USA begannen Ende April mit ihrem Truppenabzug. Wie sich die Sicherheitslage entwickeln wird, ist nach Ansicht von Experten unklar. Beobachter gehen davon aus, dass der internationale Truppenabzug Afghanistan in neues Chaos stürzt. Die radikalislamischen Taliban wollen ein "echtes islamisches System" errichten. Es wird befürchtet, dass die Islamisten einen Großteil der Fortschritte bei den Bürgerrechten wieder rückgängig machen.

Verschärft

Österreich hatte sich zuletzt sehr interessiert an einem dänischen Vorhaben gezeigt, das die Bearbeitung von Asylanträgen in Asylzentren in Drittländern vorsieht. Am Sonntag betonten Kurz und Nehammer erneut ihren Einsatz für ein "konsequenteres Vorgehen bei Rückführungen bereits vor den Toren der EU". Die Grünen haben sich dagegen ausgesprochen. "Diese Verschärfung lehnen wir ab", erklärt der Abgeordnete Michel Reimon. "Und weil die Koalitionsmehrheit nur zustimmen kann, wo beide Parteien zustimmen, wird das nicht kommen. Nehammer weiß das aus Vorgesprächen, er blinkt trotzdem rechts, es könnte ja ein Wahlkampf kommen." (Michael Völker, 20.6.2021)