Wien – Für fast 3,5 Milliarden Euro steht das symbolische Dokument, das EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Montag Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) in Wien überreichte. Knapp ein Jahr nach dem Beschluss für das Aufbauprogramm Next Generation EU hat die Kommission nun den österreichischen Plan gebilligt. Das Gros der Zuschüsse soll in Projekte aus dem Bahn- und Breitbandausbau, Öko-Investitionen sowie Bildung gehen. Zwar muss der europäische Rat dem Beschluss noch zustimmen, doch das ist Formsache.

"Die ersten Gelder sollen im Juli fließen", sagt von der Leyen. Die Genehmigung durch den Rat würde die Auszahlung von 450 Millionen Euro als Vorfinanzierung ermöglichen. Nach dem Erreichen sogenannter "Meilensteine" würden weitere Mittel ausgezahlt. "Wir lassen den europäischen Green Deal Realität werden", sagt von der Leyen zu "Next Generation EU". Es sei das größte Konjunkturpaket in Europa seit dem Marshallplan.

Österreich wollte 4,5 Milliarden

Insgesamt reichte Österreich für den "Aufbau und Resilienzplan" Projekte in der Höhe von 4,5 Milliarden Euro ein. Nach Berechnungen der EU-Kommission, die die Grundlage der schließlich bewilligten 3,5 Milliarden bildeten, erfüllen 58 Prozent der Investitionen und Reformen Klimaschutzzwecke, und 52 Prozent treiben die Digitalisierung voran. Dass man "beim Zusammenzählen über 100 Prozent kommt, liegt an der Schnittmasse der Projekte", so von der Leyen. Als Beispiel nannte sie etwa Investitionen in Heiz- und Kühlsysteme, die sich digital steuern lassen.

Passend zur Umgebung im Gartenpalais Liechtenstein in Wien-Alsergrund streuten sich Kurz und von der Leyen gegenseitig Rosen und lobten immer wieder die gute Zusammenarbeit – etwa in Bezug auf das europäische Impfprogram oder die "schweren und langen Verhandlungen" zu "Next Generation EU". Kurz betonte, dass sich Österreich mit dem Standpunkt als einer der frugalen Staaten und Nettozahler "nicht bei allen beliebt gemacht" habe. Mit dem Ergebnis sei er aber zufrieden, und er wolle es nicht als "Geschenk" darstellen.

Zu den Differenzen und zur Kritik von Kurz an der EU bei der Verteilung von Impfdosen befragt, sagte von der Leyen, es habe Ungleichgewichte und Probleme gegeben, die aber durch Kommunikation gelöst worden seien. Kurz verlangte, es dürfe "keine Geschichtsfälschung" geben, er habe in diesem Zusammenhang keine Kritik an der EU-Kommissionspräsidentin geübt, Kritik sei eher an die Mitgliedsstaaten zu richten.

Symbolische Dokumentübergaben sind in Österreich nichts Unübliches – dass sie 3,5 Milliarden Euro schwer sind, ist es jedoch schon.
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Milliardenschwerer Fonds

Der Fonds ist das Herzstück des im Sommer 2020 vereinbarten Corona-Aufbauprogramms Next Generation EU im Umfang von 750 Milliarden Euro – angepasst an die Inflation beträgt die Summe sogar rund 800 Milliarden Euro. Das Geld soll helfen, die Wirtschaft nach der Pandemie wieder flottzubekommen und gleichzeitig zu modernisieren. Einen Teil des Geldes gibt es als Zuschuss, einen weiteren Teil als Kredit. Finanziert wird das Programm über Schulden.

Alle Staaten der Union mussten der EU-Kommission detaillierte Aufbaupläne für die Zeit nach der Pandemie vorlegen. Mindestens 37 Prozent der aufgewendeten finanziellen Mittel sollen in klimafreundliche Projekte und 20 Prozent in Digitalisierung fließen. Die Kommission hatte zwei Monate Zeit für die Prüfung, die nun abgeschlossen ist. Auf ihre Empfehlung hin muss in einigen Wochen noch der EU-Ministerrat die Pläne billigen, bevor tatsächlich das erste Geld fließen kann.

Vor der Pressekonferenz haben von der Leyen und Kurz das Institut für Quantenoptik und Quanteninformation der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) besucht. Die Kommissionpräsidentin sprach von einem "beeindruckenden Forschungsstand".
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Mangelnde Transparenz

Vergangene Woche warfen einige europäische NGOs Österreich eine undurchsichtige Verwendung der Hilfsgelder vor. Eine Analyse der Pläne von 22 EU-Staaten kam zu dem Schluss, dass Österreich und sechs weitere Länder sich zu "keinerlei Transparenz bei der Verwendung der Mittel" verpflichtet hätten. Neben Österreich erhielten auch Kroatien, Dänemark, Deutschland, Polen, Slowenien und die Slowakei null von vier möglichen Punkte in der Transparenz-Rangliste des "Open Procurement EU" – eines Bündnisses aus NGOs, dem unter anderem Transparency International EU und Access Info Europe angehören.

Lob von WKÖ, Kritik von FPÖ

Als "ausgezeichnete Nachricht und den Startschuss für das rot-weiß-rote Comeback" bezeichnet die Wirtschaftskammer Österreich die Zusage für die Hilfsgelder. Positiv sei, dass der österreichische Aufbauplan in weiten Bereichen wirtschaftsaffine Maßnahmen vorsehe. Weniger erfreut zeigt sich die Freiheitliche Partei. Von einem "schlechten Deal" und "sehr teuren Maßnahme für die österreichischen Steuerzahler" ist in Aussendungen die Rede. (and, agr, APA)