Premier Nikol Paschinjan (Mitte) freute sich über ein Wahlergebnis, das weit über den Erwartungen lag.

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Strahlend trat Nikol Paschinjan am Wahlabend vor die Kameras. Unter dem donnernden Applaus seiner Anhänger verkündete er den Sieg seiner Zivilvertrag-Partei . Es sei ein Sieg aller Armenier, sagte der 46-Jährige. Das Wahlergebnis werde das Land wieder stabilisieren und konsolidieren. "Das armenische Volk hat innerhalb von drei Jahren die zweite Revolution durchgezogen. Dieses Mal eine stählerne statt der samtenen", sagte der Premier.

Laut dem vorläufigen Endergebnis kommt die Partei Zivilvertrag auf 53,92 Prozent der Stimmen. Zweitstärkste Kraft im Parlament wird mit 21,04 Prozent das Wahlbündnis Armenien rund um Ex-Präsident Robert Kotscharjan. Daneben zieht mit Sersch Sargsjan ein weiterer Ex-Präsident in die Nationalversammlung ein: Der von ihm unterstützte Block "Ich habe die Ehre" verfehlte mit 5,23 Prozent zwar die für Wahlbündnisse nötige Sieben-Prozent-Hürde, doch da laut armenischem Gesetz mindestens drei politische Kräfte im Parlament sitzen müssen, kommt das Bündnis trotzdem in diesem unter.

Überraschender Erfolg

Das Ergebnis ist ein großer Erfolg für Paschinjan, der nun weiter allein regieren kann. Abzusehen war der Sieg in dieser Höhe nach den Umfragen vor der Abstimmung nicht. Dort waren Paschinjans Partei gerade einmal zwischen 20 und 30 Prozent zugerechnet worden.

Der einstige Hoffnungsträger hatte nach dem Fiasko im Krieg um die umstrittene Region Bergkarabach massiv an Unterstützung verloren. Der Konflikt mit Aserbaidschan endete im vergangenen Herbst mit dem Verlust der Region und tausenden Binnenflüchtlingen. Im Streit mit dem eigenen Generalstab demonstrierte Paschinjan dabei auch seine eigene Unwissenheit in militärischen Fragen.

Daraufhin brachen in Eriwan Proteste aus, die den Premier schließlich dazu zwangen, vorgezogene Neuwahlen auszurufen. Mit einem Misstrauensvotum forcierte er die Ereignisse, die Opposition klagte über mangelnde Zeit zur Vorbereitung.

Niedrige Wahlbeteiligung

Im Endeffekt war gerade auf dem Land die Unterstützung für den früheren Journalisten, der 2018 auf der Welle von Protesten gegen Korruption und Vetternwirtschaft an die Macht gekommen war, größer als gedacht. Selbst in der südöstlichsten Region Sjunik holte Paschinjan noch über 50 Prozent. Erstaunlich, denn Sjunik hatte sich nach der Niederlage in Bergkarabach zum nächsten Pulverfass entwickelt. Ortschaften im Grenzgebiet der Region wurden jüngst von aserbaidschanischen Truppen besetzt, dementsprechend aufgebracht war die Bevölkerung, die jüngst noch einen Regierungskonvoi mit Eiern bewarf.

Während ausländische Wahlbeobachter keine gravierenden Mängel feststellten, zieht die Opposition das Wahlergebnis in Zweifel. Solange nicht alle "problembehafteten Fragen hinreichend geklärt und alle Zweifel ausgeräumt" seien, werde das Ergebnis nicht anerkannt, teilte der Wahlblock Armenien mit.

Querelen und Unzufriedenheit bleiben in jedem Fall. Der Wahlsieg Paschinjans ist auch auf seine Alternativlosigkeit zurückzuführen, da seine politischen Gegner als korrupt gelten. Die meisten Unzufriedenen blieben einfach zu Hause. Davon zeugt die Wahlbeteiligung von nur 49 Prozent. (André Ballin, 21.6.2021)