Am 27. Mai präsentierte Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) die sogenannte Islam-Landkarte. Wenige Tage später stellten die Identitären Warntafeln auf.

Foto: APA

Und wieder tauchte die rechtsextreme Identitäre Bewegung in den Schlagzeilen auf. Nachdem ihre Aktivisten Anfang Juni in Wien Warnschilder vor Moscheen und anderen islamischen Einrichtungen angebracht hatten, berichteten sämtliche Medien des Landes über diese Aktion. Ihre Schilder trugen die Aufschrift "Achtung! Politischer Islam in deiner Nähe" und verwiesen auf die sogenannte Islam-Landkarte, die kurz zuvor von Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) präsentiert worden war. Darauf sind mehr als 600 islamische Organisationen in Österreich mit Anschrift und Beschreibung erfasst. Schon unmittelbar nach der Vorstellung der Online-Landkarte übten Vertreterinnen und Vertreter der muslimischen Community und der Zivilgesellschaft scharfe Kritik daran, sie befürchteten gezielte rassistische Attacken und bemängelten falsche Informationen sowie fehlenden Datenschutz.

Auch internationale Medien griffen zu

Mit den Schildern gelang es den Rechtsextremen, die Diskussion zu befeuern. Die dazu passenden Fotos lieferten sie gleich kostenlos mit. Da ihre Politik hauptsächlich auf Medienshows ausgerichtet ist, sind Aufnahmen von ihrem Aktionismus genauso wichtig wie die Aktion selbst. Schließlich hilft ihnen jeder Zeitungsartikel, jeder Fernsehbeitrag, jedes von ihnen inszenierte Foto, ihre Botschaft zu verbreiten. Das sieht auch "Falter"-Chefredakteur Florian Klenk so, der auf Twitter schrieb: "Ich finde zum Beispiel dass man die Neonazi-Schilder vor Moscheen nicht zeigen sollte. Damit hilft man den Neonazis, ihre Propaganda zu verbreiten. Thematisieren ja, zeigen nein. Die Schilder entfalten erst dann ihre Wirkung."

In Wien sind derzeit derartige Aufkleber zu finden.
Foto: Markus Sulzbacher

Wie die Identitären vorgehen, zeigte sich rund um das Aufstellen der Warnschilder. Schon kurz nachdem diese aufgestellt waren, meldeten sich angebliche Passanten bei Zeitungs-, TV- und Online-Redaktionen und stellten bereitwillig kostenloses Fotomaterial davon zur Verfügung. In der E-Mail eines dieser Passanten ist zu lesen: "Als ich gerade in der Stadt unterwegs war, sind mir einige Schilder aufgefallen. Auf den Schildern steht auch die Islam-Landkarte drauf. Eines der Schilder ist auf der Praterstraße, das andere auf der Murlingengasse. Hoffe ihr könnt mit der Info etwas anfangen. :-)".Und tatsächlich konnten zahlreiche Medien damit etwas anfangen. Die der E-Mail beigefügten Fotos wurden unter anderem vom ORF, von Tageszeitungen und News-Portalen veröffentlicht. Auch internationale Medien griffen zu, auf Twitter sowie anderen Online-Plattformen wurden sie eifrig geteilt.

Verschickt wurden die Fotos über Gmail-Adressen, die Absender tragen Namen von Personen, die über eine Google-Suche oder Recherchen in Online-Telefonbüchern nicht eindeutig identifiziert werden können und in den Ohren von Rechtsextremisten vermutlich nicht gerade typisch österreichisch klingen. An die Adressen geschickte Mails werden nicht beantwortet.

Georg Renner von der "Kleinen Zeitung" über die Fotos.

Es liegt sehr nahe, dass die Fotos von den Identitären selbst stammen. Nicht nur, weil es unwahrscheinlich ist, dass jemand zufällig bei mehr als sechs Kilometer voneinander entfernten Moscheen in Wien vorbeikommt, bei denen zufällig gerade Schilder von Rechtsextremen angebracht worden sind (die Moschee in der Praterstraße befindet sich im zweiten Wiener Bezirk, jene in der Murlingengasse im zwölften Bezirk). Sondern zu dieser Theorie passt auch eine Auswertung von Metadaten der Bilder, also von Zusatzdaten in den Bilddateien.

Metadaten zeigen Gemeinsamkeiten

Zeitgleich mit der Kontaktaufnahme mit Redaktionen tauchten weitere Fotos von den Warntafeln auf Telegram-Channels der Identitären, die auch als "Die Österreicher" oder "Wehrmänner" auftreten, auf. Eine Auswertung der Metadaten dieser Aufnahmen zeigt, die Fotos der angeblichen Passanten weisen mit jenen der von den Rechtsextremen veröffentlichten Aufnahmen sehr große Gemeinsamkeiten auf. So wurden sie etwa beinahe zeitgleich aufgenommen, teilweise mit der gleichen Kamera.

Dieses Muster ist auch bei weiteren Fotos von Aktionen der Identitären zu finden, die in den vergangenen Wochen an Redaktionen geschickt wurden. Etwa als sie ein Transparent mithilfe eines Ballons über dem Parlament schweben ließen. Bei diesen Aufnahmen sind die Gemeinsamkeiten sogar mit freiem Augen leicht erkennbar. Daher bringen einige Medien, wie die Tageszeitung "Heute", keine Fotos mehr, die im Verdacht stehen, von Rechtsextremen selbst zu kommen. Es sei zu offensichtlich, dass die Identitären dahinterstecken.

Medien übernahmen Fotos direkt

In den vergangenen Jahren haben auch Qualitätszeitungen Fotos übernommen, die direkt von den Identitären kamen. Seit allerdings bekannt wurde, dass der Attentäter von Christchurch, der 51 Moschee-Besucher und -Besucherinnen im Jahr 2019 ermordete, dem Identitären-Sprecher Martin Sellner 1.500 Euro gespendet hatte, und über den Umgang der Medien mit den Rechtsextremen eine Diskussion entstand, kommt dies kaum mehr vor. Manches Boulevard-Medium hat damit aber keine Probleme. Werden von den Identitären inszenierte Fotos übernommen, dann wird genau das gemacht, was die Rechtsextremen wollen. Dazu kommt, dass die Veröffentlichung der Fotos Aktivisten und Aktivistinnen motiviert und sie sich so bestätigt sehen.

Das Thema Islam-Landkarte wird die heimische Politik wohl noch länger beschäftigen. Der in Graz ansässige und von einem FPÖ-Politiker geleitete Freilich Verlag arbeitet derzeit an einer eigenen Karte. Unterstützt wird das Projekt von den Identitären. (Markus Sulzbacher, 22.6.2021)