Im Vergleich zu unserer Sonne ist Beteigeuze ein gewaltiger Stern. Im sogenannten Hertzsprung-Russell-Diagramm, in dem die Sterne nach ihrem Spektraltyp und ihrer absoluten Helligkeit klassifiziert sind, wird er unter die Roten Überriesen eingereiht. Unser Heimatstern würde etwa eine Milliarde Mal in diesen Giganten hineinpassen. Wäre Beteigeuze an der Stelle unserer Sonne, würde seine Oberfläche bis annähernd zur Jupiter-Umlaufbahn reichen. Entsprechend strahlt auch sein Feuer: Im sichtbaren Licht scheint der Riesenstern etwa 10.000-mal heller als die Sonne.

Video: Die Sonne und Beteigeuze im Größenvergleich.
The Bendu Order

Im Oktober 2019 begann Beteigeuze allerdings ein merkwürdiges Verhalten an den Tag zu legen: Innerhalb weniger Wochen hatte der Überriese mehr als die Hälfte seiner Leuchtkraft eingebüßt – eine Veränderung, die sogar mit bloßem Auge wahrnehmbar war. Im Februar 2020 schien er auf Aufnahmen der Europäischen Südsternwarte (Eso) des Paranal-Observatoriums im Norden Chiles sogar seine Oberfläche verändert zu haben. Obwohl Beteigeuze, was seine Helligkeit betrifft, schon früher recht wankelmütig war, ist dieses Benehmen dann doch einigermaßen ungewöhnlich. Im April 2020 hatte der Stern wieder seine normale Helligkeit erreicht.

Wechselnde Theorien

Wissenschafter diskutierten eine Reihe von Szenarien, die das Phänomen erklären könnten. Als wahrscheinlichste Ursache waren zunächst Staubwolken angenommen und wieder verworfen worden, nachdem ein Astronomenteam in den "Astrophysical Journal Letters" zu dem Schluss gekommen war, dass enorme Sternflecken den Riesen verdunkelt hatten. Im vergangenen August wurde von Wissenschaftern erneut Staub zum Hauptverdächtigen erklärt. Aktuelle Aufnahmen mit dem Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte untermauern nun diese Erklärung: Die neuen Untersuchungen zeigen, dass der Stern tatsächlich teilweise von einer Staubwolke verdeckt war.

Video: Die Animation zeigt, wie eine Gasblase zu Sternenstaub wird und Beteigeuze verfinstert.
European Southern Observatory (ESO)

Obwohl der Schulterstern des Sternbilds Orion zu den zehn hellsten Sternen am Nachthimmel zählt und einer der wenigen ist, die beim Blick durch ein Teleskop als Fläche sichtbar werden, herrscht nach wie vor Unklarheit darüber, wie weit Beteigeuze tatsächlich von uns entfernt liegt. Lange Zeit ging man von rund 700 Lichtjahren aus, in den 1990er-Jahren ergaben Messungen dagegen eine Distanz von etwa 430 Lichtjahren. Dieser Wert wurde inzwischen wieder nach oben korrigiert: Aktuell geht man von 640 Lichtjahren aus, freilich mit einem recht großen Unsicherheitsfaktor von 150 Lichtjahren.

Jung – und doch am Ende seines Lebens

Mit rund zehn Millionen Jahren ist Beteigeuze im Vergleich zur Sonne ein sehr junger Stern – und doch ist das Ende seiner Lebenszeit bereits erreicht: Nach allem, was man über Beteigeuze weiß, explodiert der Stern in für astronomische Verhältnisse baldiger Zukunft in einer Supernova. Haben sich danach die Wolken verzogen, wird an der Stelle des heute 20 Sonnenmassen schweren Beteigeuze wahrscheinlich ein Neutronenstern rotieren. Ob das freilich innerhalb der nächsten tausend Jahre passiert oder erst in hunderttausend Jahren, daran scheiden sich die Geister.

Die Oberfläche von Beteigeuze vor und während des großen Helligkeitseinbruchs 2019–2020 auf den bisher unveröffentlichten Aufnahmen.
Foto: ESO/M. Montargès et al.

Ein Team um Miguel Montargès hatte Beteigeuze seit Ende 2019 mit dem VLT der Eso im Visier und dokumentierte die "großen Verdunkelung" im Jänner 2020 und März 2020 mit weiteren, noch nie zuvor gesehenen Bildern. "Zum ersten Mal sahen wir, wie sich das Erscheinungsbild eines Sterns in Echtzeit über einen Zeitraum von Wochen veränderte", sagt Montargès vom Observatoire de Paris, Frankreich, und der KU Leuven, Belgien. Die jetzt veröffentlichten Aufnahmen sind die Einzigen, die zeigen, wie sich Beteigeuzes Oberfläche im Laufe der Zeit in ihrer Helligkeit verändert.

Staub aus stellaren Gasblasen

In ihrer im Fachjournal "Nature" veröffentlichten Studie konnten die Astronomen zeigen, dass die mysteriöse Verdunkelung – wie schon zuvor angenommen – durch einen staubigen Schleier verursacht wird, der den Stern abschattet, was wiederum das Ergebnis eines Temperaturabfalls auf Beteigeuzes Sternoberfläche ist.

Die Oberfläche von Beteigeuze verändert sich regelmäßig, wenn sich riesige Gasblasen im Inneren des Sterns bewegen, schrumpfen und anschwellen. Das Team schließt daraus, dass der Stern einige Zeit vor der "großen Verdunkelung" eine mächtige Gasblase ausstieß, die sich von ihm wegbewegte. Als sich ein Teil der Oberfläche kurz darauf abkühlte, reichte dieser Temperaturabfall aus, dass das Gas zu festem Staub kondensierte.

Video: Wie sich die Helligkeit von Beteigeuze verändert hat.
European Southern Observatory (ESO)

"Wir haben die Bildung von sogenanntem Sternenstaub direkt beobachtet", sagt Montargès, dessen Studie auch den Nachweis liefert, dass sich Staub sehr schnell und nahe an der Oberfläche eines Sterns bilden kann. "Der Staub, der von kühlen, entwickelten Sternen ausgestoßen wird, wie der Auswurf, den wir gerade beobachtet haben, könnte später zu den Bausteinen von terrestrischen Planeten und Leben werden", ergänzt Emily Cannon von der KU Leuven, die ebenfalls an der Studie beteiligt war.

Kein Hinweis auf baldige Supernova

Neben Sternenflecken wurde anfangs auch spekuliert, dass der Helligkeitsabfall von Beteigeuze nicht nur das Ergebnis eines staubigen Ausbruchs ist, sondern ein Zeichen für seinen bevorstehenden Tod durch eine spektakuläre Supernova-Explosion sein könnte. Eine Supernova wurde in unserer Galaxie seit dem 17. Jahrhundert nicht mehr beobachtet. Heutige Astronomen sind sich also nicht ganz sicher, was sie von einem Stern im Vorfeld eines solchen Ereignisses erwarten können. Diese neue Untersuchung bestätigt jedoch, dass Beteigeuzes "große Verdunkelung" kein frühes Zeichen dafür war, dass der Stern auf sein dramatisches Schicksal zusteuert. (tberg, red, 22.6.2021)