Wie soll es nach dem Abgang der deutschen Kanzlerin Angela Merkel weitergehen? Armin Laschet und Markus Söder versuchen, auf 140 Seiten Programm Antworten zu geben.

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Klar, Armin Laschet, der CDU-Chef, ist Kanzlerkandidat und somit die Nummer eins in der Union. Aber nachdackeln will CSU-Chef Markus Söder ihm auch wieder nicht. Also ist am Montag in Berlin eine originelle Bühnenbegehung zu beobachten. Laschet und Söder kommen gleichzeitig, Laschet von links, Söder von rechts.

Es ist ihr erster gemeinsamer Auftritt nach dem Debakel bei der Kanzlerkandidatur. Damals, im April, hatten sich die beiden tagelang gegenseitig bekämpft, ein jeder wollte Kanzlerkandidat werden. Durchsetzen konnte sich schließlich Laschet, Söder drehte bei, war aber nicht erfreut. Doch am Wochenende, als sich die Gremien in Klausur begaben, hat Söder schon klargestellt: "Zwischen uns ist die Welt heil." Man beschwört jetzt wieder die große Einigkeit.

Große Sehnsucht

Mitgebracht haben die beiden nun, zwei Monate später, das gemeinsame Wahlprogramm der Union. Man hat nicht nur in Berlin lange darauf gewartet. CDU und CSU haben am längsten für die Erstellung gebraucht, alle anderen im Bundestag vertretenen Parteien waren schon viel früher dran.

"Dafür, dass angeblich kein Mensch die Programme liest, ist die Sehnsucht nach unserem sehr verbreitet", stellt Laschet zum Auftakt zufrieden fest und lässt nicht unerwähnt, dass tausende Parteimitglieder mitgearbeitet haben.

Die Grundzüge des 140 Seiten starken Programmes stellt der Kanzlerkandidat so vor: "Geht nicht gibt’s nicht mehr. Wir brauchen ein Modernisierungsjahrzehnt." Konkret bedeutet das: Die Union spricht sich gegen Steuererhöhungen in der kommenden Legislaturperiode aus.

Keine Last für Reiche

"Gerade nach der Pandemie sind Steuererhöhungen der falsche Weg. Sie stehen dem notwendigen Aufschwung unserer Wirtschaft entgegen", hieß es. Anders als Linke, SPD und Grüne will sie die Wohlhabenderen nicht an den Aufräumarbeiten nach der Corona-Krise beteiligen.

Im Gegenteil. Das Wahlprogramm sieht die vollständige Abschaffung des "Soli" (Solidaritätszuschlags) vor. Diesen 5,5-prozentigen Aufschlag auf die Einkommen- beziehungsweise Körperschaftsteuer zahlen in Deutschland seit 2021 nur noch jene mit einem Jahreseinkommen von rund 100.000 Euro.

Entlastet werden soll auch die Wirtschaft, deren Steuerlast "perspektivisch auf 25 Prozent" gedeckelt werden. Zudem stellen CDU und CSU den Wegfall von Bürokratiekosten in Milliardenhöhe in Aussicht. Hier ist von einem "Entfesselungspaket" die Rede.

Keine Aufweichung der Schuldenbremse

Gleichzeitig wollen die beiden Parteien so schnell wie möglich zu einem ausgeglichenen Bundeshaushalt zurück und lehnen eine Änderung des Grundgesetzes zur Aufweichung der Schuldenbremse ab.

Große Steuerentlastungen werden aber auch nicht angekündigt, denn: "Wir versprechen nichts, was wir nicht einhalten können."

Breiten Raum nimmt natürlich der Klimaschutz ein. "Wir machen Deutschland zum klimaneutralen Industrieland", betont Laschet. Dies müsse aber bis zum Jahr 2045 in einem Gleichklang aus drei Schritten passieren: "Klimaschutz, wirtschaftliche Stärke, soziale Sicherheit". Die aktuelle Bundesregierung hatte lange an einem klimaneutralen Deutschland bis 2050 festgehalten, schwenkte kürzlich, nach einem Urteil des Verfassungsgerichts, auch auf das Jahr 2045 um.

Gegen Tempolimit

Dafür strebe man einen europäischen Emissionshandel an. Anders als die Grünen lässt die Union jedoch offen, welche Höhe sie sich für den CO2-Preis vorstellt. Und anders als die Grünen lehnt sie ein Tempolimit von 130 km/h auf Autobahnen ab.

Söder findet das alles ökologisch genug. "Wir können auch grüne Politik machen ohne die Grünen. Wir brauchen sie nicht", sagt er. Überhaupt sieht er die Union gut aufgestellt, dank der "sehr guten Performance unseres Kanzlerkandidaten". In Umfragen liegen CDU und CSU bei rund 28 Prozent, wieder einige Punkte vor den Grünen, Laschets persönliche Werte sind höher als jene der grünen Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock.

Das Wahlprogramm wurde von den Gremien einstimmig angenommen, ein Wunsch der CSU fand allerdings keinen Eingang: Die Ausweitung der Mütterrente, also mehr Rente für Mütter, die vor 1992 Kinder zur Welt gebracht haben. Zu teuer, befanden die CDU-Granden. Söder allerdings ist sich sicher, dass sie in einen Koalitionsvertrag reingeschrieben werden wird.

Dass die Union einen solchen vorlegen wird, ist für ihn klar. Sowohl Laschet als auch Söder haben ein Wahlziel: Gegen die Union soll keine Regierung gebildet werden können. (Birgit Baumann aus Berlin, 21.6.2021)