Österreich war schneller als die EU! Wie zuvor vollmundig von der Regierung angekündigt, steht der grüne Pass, den es bald in ganz Europa geben soll, nunmehr hierzulande zur Verfügung. Gut, mit zweimonatiger Verspätung. Und die ersten sind wir, entgegen den Versprechungen, auch nicht. Aber immerhin: Auch wenn Komfortfeatures wie ein Aufruf via App statt PDF-Dokument fehlen, scheint das System so zu funktionieren, wie es soll.

Der grüne Pass, den es bald in ganz Europa geben soll, steht nunmehr hierzulande zur Verfügung.
Foto: APA/HANS KLAUS TECHT

Und doch ist der Ruf des grünen Passes jetzt schon angeschlagen: Durch die Ankündigung eines frühen Starts wurde die Konzeption des Dienstes mit Argusaugen beobachtet. Probleme beim Datenschutz wurden zwar nach vielen Aufschreien ausgeräumt. Doch die Pannen wurden dadurch medienöffentlich besonders kritisch beurteilt – und haben das Vertrauen geschwächt. Das Geschehen erinnert an die "Stopp Corona"-App, bei der ebenso unnötig vorgeprescht wurde, indem man sie frühzeitig veröffentlichte. Das hatte letztlich – nebst lauten Überlegungen zu einer verpflichtenden Nutzung – einen verheerenden Effekt auf die Userzahlen. Zudem blieb sie lange unausgegoren, bis sich letztlich fast niemand mehr für sie interessierte.

So schlimm ist es diesmal nicht, aber es stellt sich erneut die Frage, wieso man nicht einfach warten konnte, um zunächst eine ordentliche Software zu entwickeln und diese dann erst anzukündigen. Übereiltes Vorgehen scheint bei der Digitalisierung nämlich ein System zu haben, vor allem während der Pandemie: Gerne inszeniert die Regierung sich als Vorreiter, in der Praxis bleibt aber häufig am Ende ein fahler Beigeschmack. Man denke an das berüchtigte "Kaufhaus Österreich" oder die vielen digitalen Dienste der Ministerien, die teilweise so wirken, als wären sie in einer ersten Version erstellt und dann vergessen worden – viele von ihnen sind noch immer nicht über das Smartphone nutzbar. Oder an die Datenlecks der vergangenen Monate bei den Behörden, sei es bei den Teststraßen oder den Registern der Ministerien.

Umdenken

Da eröffnet sich die Frage: Warum blamiert sich Österreich bei der Digitalisierung so oft? Es liegt nicht am Mangel an entsprechendem Fachpersonal in den Behörden. Im Gegenteil: Als beispielsweise gröbere Datenschutzprobleme beim grünen Pass bekannt wurden, zeigten sich Beamte im Hintergrund sehr kundig und kritisch gegenüber dem Geschehen.

Doch je weiter man in die Führungsetagen blickt, desto mehr nimmt die Kompetenz ab, um vermehrt von Parteitreue ersetzt zu werden. Anstatt auf die eigenen Experten zu setzen und Ideen konzipieren zu lassen, werden Lösungen vorgesetzt, die nicht praxistauglich sind. Wenn es Systeme sein sollen, die nicht von den Behörden selbst entwickelt werden, landen viele der Aufträge bei den immer gleichen Unternehmen, denen Parteinähe nachgesagt wird, ohne dass man sich Gedanken darüber macht, ob sie überhaupt die beste Wahl sind.

Damit sich das ändert, muss ein Umdenken stattfinden. Ein erster Schritt wäre, alle bestehenden Dienste im Bereich des E-Governments nochmals in einer Gesamtrechnung kritisch zu begutachten, um sie daraufhin in einen brauchbaren Zustand zu bringen und zu vereinheitlichen. Ein abschreckendes Beispiel liefern etwa die vielen Ministeriumsseiten, die nicht so aussehen, als kämen sie alle von der gleichen Regierung – oder überhaupt aus demselben Jahrhundert. Das sollte zu denken geben. (Muzayen Al-Youssef, 21.6.2021)