Bittor Arginzoniz ist wie das Baskenland und sein Restaurant Etxebarri selbst: traditionell, weltoffen und produktverliebt.

Foto: Oscar Oliva

Etwa alle 15 Jahre muss der Baske Bittor Arginzoniz seine schwarze Trekkinghose und seine dunkelblaue Fleecejacke gegen eine neue schwarze Trekkinghose und eine neue dunkelblaue Fleecejacke austauschen. Das ist dann, wenn der Wind vom Golf von Bizkaya schon unangenehm durch die dünngetragene Montagsmontur des Kochs bläst.

Denn montags ist Arginzoniz nie da. Da geht der 60-Jährige auf den Berg. Vom Restaurant Asador Etxebarri aus, das er vor 31 Jahren eröffnet hat, marschiert er ins von grünen Almwiesenflecken gesprenkelte, karge Gestein des Baskenlandes, eine Stunde von Bilbao gelegen.

Natur und gehen, das braucht Arginzoniz zum Denken und für seine Balance. Auch der Umstand, dass sein traditionelles Grillrestaurant Etxebarri im 1400-Seelen-Dörfchen Axpe plötzlich zum Hotspot der internationalen Foodie-Hautevolee avancierte und auf der Liste der 50 Best Restaurants gar auf Platz drei rangiert, beeinflusst Bittors Tun und Sein nicht im Geringsten.

Montag ist Bergtag, und ansonsten grillt dieser Mann. Die Lebensmittel, mit denen er arbeitet, möchte er bestmöglich zubereiten. Der Rest ist die Konsequenz daraus. "Wir erforschen für jedes Lebensmittel, das wir verarbeiten, die ideale Methode auf dem Grill. Schon bald haben wir Holzkohle gegen Holz getauscht. Das Aroma wird viel feiner", sagt Arginzoniz, bei dem Fisch auf Steineiche grillt und Fleisch auf Rebholz.

Mehr ist weniger: Arginzoniz lebt diesen Ansatz, von der Outdoorkleidung, die erst getauscht wird, wenn es notwendig ist, bis zum Kaisergranat. Denn dieser braucht nicht mehr als einen Flammenkuss, um perfekt zu schmecken.

Es war einmal

Das Asador Etxebarri ist der ehemalige Dorfwirt des 1400-Seelen-Dorfes Axpe am Fuße des sagenumwobenen Berges Amboto im spanischen Baskenland.
Foto: Oscar Oliva

Jedenfalls, so die Geschichte des Etxebarri, verschlug es eines Tages den gewichtigsten Restauranttester der Nation namens Rafael García Santos in das entlegene Bergdorf. Dort kehrte er in der Gaststätte ein, um seinen müden Waden eine Pause zu gönnen und sich dem Wanst mit baskischer Küche vollzuschlagen.

Womit er nicht gerechnet hatte: Die gegrillten Glasaale, die ihm der Koch da vorsetzte, sollten ihn in den siebten Gourmethimmel katapultieren. Ein Programm, das der autodidaktische Koch fortsetzte, von den gesalzenen Garnelen über hausgemachte Chorizo bis zur geräucherten Pilzeiscreme zum Nachtisch.

Santos marschierte ins Hotel, setzte sich an den Rechner und tippte: "In diesem Bergdorf befindet sich einer der größten Schätze der kulinarischen Welt." Gastro-Schatzsucher, hungrig nach essbaren Erlebnissen, folgten der Fährte, die Santos gelegt hatte. Dort fotografierten sie und erzählten ihrer Crowd, wie der zurückhaltende Baske die vermeintlich einfache Grillküche veränderte.

Menschen aus aller Welt kamen nach Axpe, um zu sehen, was der Baske mit dem Feuer anders macht als alle anderen. Köche begannen Dinge wie Sardellen im Doppelpack zu grillen, damit das Fleisch besonders zart und saftig bleibt, selbst in ihren Restaurants auszuprobieren.

Ein Mann wie ein Landstrich

Angst kopiert zu werden hatte Arginzoniz dennoch nie. "Etxebarri funktioniert nur hier in Axpe, mit uns als Familie und mit den Produkten, die wir aus nächster Nähe beziehen", sagt er. Daher standen Angebote – und davon soll es so einige gegeben haben –, Etxebarri doch bitte nach Dubai und New York als Konzept zu exportieren, niemals zur Diskussion.

Arginzoniz hat wenige Kilometer von dem Bauernhaus, in dem er aufgewachsen ist, 1989 die 300 Jahre alte Gaststätte Etxebarri gekauft. Dort grillt er jetzt mit sechs weiteren Köchen, einer denkbar kleinen Mannschaft für eine Küche, die weltweit geschätzt wird. Daher hat Arginzoniz auch keine Zeit für Marketing oder Social Media.

An wenigen Tagen im Jahr kann man im Etxebarri online reservieren. Nach ein paar Stunden ist das Lokal für die nächsten Monate voll. Dann ist wieder Zeit zu grillen. Zum Beispiel über Holzdampf gegarte Miesmuscheln oder Spargel und Artischocken.

Arginzoniz hat auf unaufgeregte, intelligente Weise Grillen neu definiert. Er hat gezeigt, dass die älteste Art zu Kochen für manche mit Sorgfalt ausgewählte Produkte die beste sein kann. Dessen ist sich der weißhaarige Mann, der auch keine Wanderjahre, sondern bloß einen Wandertag die Woche für diese Revolution gebraucht hat, bewusst, findet es aber nicht weiter relevant.

Zauber des Baskenlandes

Gegrillte Artischocke mit Spargel.
Foto: Oscar Oliva

Was man in 100 Jahren vom Etxebarri halten soll? "Wichtig ist, dass es uns jetzt gibt. Und dass die Leute genießen, wenn sie essen gehen. Das zu vergessen finde ich sehr schade. Passiert aber", so der Baske. Und so grillt er Glasaal und dämpft Schnecken auf Heu, während andere Spitzenköche bei Events und Konzeptverpflanzungen rund um den Globus Inspiration, Follower und Bekanntheit suchen.

Bittor Arginzoniz ist wie das Baskenland selbst: verwurzelt, traditionell, dabei weltoffen und ein bisschen mystisch. Der Zauber, dem Menschen erliegen, die das Baskenland lieben, wohnt definitiv auch im entlegenen Etxebarri. Dass es einmal von einer der gehyptesten Listen der Branche als drittbestes Restaurant der Welt geführt wird, ist eben, wie es ist, hat mit Etxebarri an sich aber gar nicht so viel zu tun. (Nina Wessely, RONDO, 22.7.2021)