Vor allem alte und chronisch kranke Menschen haben ein besonders hohes Risiko, an Folgen der Hitze zu sterben. Aber auch der Wohnort kann das Risiko erhöhen.

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Es ist heiß in Österreich, sehr, sehr heiß. Am Donnerstag sollen im Donauraum und Südosten bis zu 37 Grad erreicht werden. Aber bereits vor einer Woche schlugen die Meteorologen der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) Alarm: In vielen Teilen des Landes stelle die Hitze eine Gefahr für die Gesundheit dar. Krankenhäuser, Einsatzkräfte, Pflegeheime und Apotheken sind seither in erhöhter Bereitschaft.

Ist es heiß, beginnt der Körper mit einem Hitzeabwehrmechanismus: dem Schwitzen. Dabei gehen Flüssigkeit und Mineralstoffe verloren. Um für Abkühlung zu sorgen, pumpt das Herz auch mehr Blut in die Hautgefäße, diese weiten sich. Dadurch sinkt der Blutdruck, der Kreislauf wird geschwächt. Das kann dazu führen, dass das Gehirn nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt wird – es kommt zu Schwindel, Kopfschmerzen und Konzentrationsstörungen.

Auch auf die Psyche wirken sich Hitzewellen aus: Studien belegen, dass es vermehrt zu Schlafstörungen kommt, Aggressionen, Ängste und Depressionen nehmen zu. Insgesamt nimmt die körperliche und geistige Leitungsfähigkeit durch den Hitzestress teils stark ab. Im Extremfall führt Hitze zum vorzeitigen Tod.

Die Gefahr hängt von verschiedenen Risikofaktoren ab

Während der Hitzewellen 2017, 2018 und 2019 kam es in Österreich zu Übersterblichkeiten. Pro Sommer starben in diesen Jahren zwischen 198 und 550 Menschen an den Folgen der Hitze. Für vergangenes Jahr weist die Statistik hingegen keinen Hitzetoten aus. Laut der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (Ages), die Übersterblichkeit mit Modellen berechnet, gab es 2020 keine Woche, die das Kriterium einer "heißen" Woche erfüllte: nämlich Temperaturen über 18 Grad in mindestens einer Nacht.

Ein Grund zum Aufatmen? Im Gegenteil: "Hitze stellt ein enormes gesundheitliches Risiko dar", sagt der Umweltmediziner Hans-Peter Hutter. "Gerade nach kühleren Perioden wird sie massiv unterschätzt."

Denn unter Klimaforscherinnen und Public-Health-Experten gibt es zwei Gewissheiten. Die Hitze wird zunehmen. Und: Ihre Gefahr ist nicht gleich verteilt. Wer in Österreich an Hitze stirbt, wird statistisch nicht erhoben. In der Forschung ist aber schon länger klar: Wie sehr uns die Hitze zusetzt, hängt von verschiedenen Risikofaktoren ab.

Besonders gefährdet sind Menschen, bei denen der körpereigene Kühlmechanismus beeinträchtigt ist. Das sind etwa alte Menschen und chronisch Kranke. Neben Patienten, die an einer Herz- oder einer Atemwegserkrankung leiden, sind das auch Personen mit neurologischen Erkrankungen. "Die Fähigkeit zu schwitzen ist etwa bei einer Verletzung des Rückenmarks gestört: Betroffene können unterhalb der Lähmungshöhe nicht schwitzen", sagt Hutter.

Zur Hauptrisikogruppe zählen laut Hutter außerdem demenzkranke Menschen, die auf die Flüssigkeitszufuhr vergessen. Aber auch Säuglinge und Kleinkinder, deren Kühlungssystem noch nicht vollständig entwickelt ist, sind durch die Hitze besonders bedroht.

Hitzeinseln in der Stadt

Das Risiko verläuft jedoch nicht allein entlang biologischer Kriterien. "Im Speckgürtel ist die Situation natürlich eine andere als neben einer vierspurigen Straße", sagt Hutter.

Für Wien hat die Wiener Umweltschutzabteilung besondere Gefahrenzonen, sogenannte Hitzeinseln, identifiziert: Dort staut sich die Hitze, und es kühlt auch in der Nacht nicht ab. Dafür gibt es mehrere Ursachen: Statt Parks, Bäumen oder Fassadenbegrünung sind da bloß Beton, Straßen oder Parkplätze, die die Hitze speichern. Es gibt keinen Wind, der die warme Luft wegbläst, sie drückt sich fest.

Wer auf die Wiener Hitzekarte blickt, erkennt zwei Dinge: Die Temperatur nimmt vom Stadtrand aus in Richtung Zentrum zu. Und: Heiß wird es tendenziell dort, wo das Haushaltseinkommen niedrig ist.

Klimawandel trifft Arme besonders

Laut dem Spezialreport "Gesundheit, Demografie und Klimawandel", den Forschende unterschiedlicher Disziplinen 2018 veröffentlicht haben, sind arme Menschen besonders von Folgen des Klimawandels wie Hitze betroffen: Sie arbeiten statistisch gesehen häufiger in Berufen, die körperlich anstrengend und der Hitze ausgesetzt sind, sie leben in Wohnungen mit schlechter Bausubstanz und Ausstattung, sie können sich Urlaube und Ausflüge ins Grüne oft nicht leisten, sind häufiger chronisch krank.

Die Stadt Wien veröffentlichte 2019 eine Hitzekarte: Die kühleren Orte sind blau eingefärbt, Hitzeregionen, in denen viele Risikopersonen wohnen, orange-rot.
Foto: Stadt Wien

Wie fatal Hitze gerade für ärmere Menschen sein kann, lässt sich aus einer Erhebung des Zentrums für Public Health an der Med-Uni Wien grob ablesen. Die Forscherinnen und Forscher untersuchten die Sterblichkeit in Wien während der europaweiten Hitzewelle im Jahr 2003: In einkommensschwachen Bezirken lag sie besonders hoch.

"Gefährlich wird es vor allem für Menschen, bei denen mehrere Risikofaktoren zusammenkommen", sagt Hutter. "Wenn ich alt bin, allein wohne und dann auch noch in einer Hitzeinsel, habe ich ein besonders großes Risiko."

In Wien wurde deshalb eine zweite Karte angelegt: Sie zeigt besonders heiße Stadtgebiete, in denen viele Risikopersonen, etwa Menschen über 65 oder Kinder, wohnen. Dabei haben sich zehn Hitzebereiche herauskristallisiert – sie befinden sich hauptsächlich in den einkommensschwächeren Bezirken Favoriten, Ottakring und Margareten. (Eja Kapeller, 23.6.2021)