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Kinder oder nicht? Eine Frage, die mitunter zu hitzigen Diskussionen führen kann. Die einen wollen einen kleinen Menschen aufwachsen sehen, etwas in der Welt hinterlassen. Die anderen sind überzeugt, ohne Nachwuchs besser dran zu sein.

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Ein Haus bauen, einen Baum pflanzen, ein Kind zeugen: Das waren früher laut Volksmeinung die drei großen Ziele. Elternschaft gehörte zu einem erfüllten Leben angeblich dazu. Heute hat sich das verändert – viele Menschen entscheiden sich bewusst gegen Kinder. Sind sie ebenso glücklich wie Menschen mit Kindern oder vielleicht sogar glücklicher? Diese Frage sorgt nicht nur für hitzige Diskussionen unter Freunden – sie beschäftigt weltweit auch Wissenschafterinnen und Wissenschafter.

Zuletzt etwa Jennifer Watling Neal und Zachary Neal von der Michigan State University. Die Psychologen befragten 1.000 Erwachsene, um herauszufinden, wie viele von ihnen freiwillig kinderlos bleiben und wie sich ihre Zufriedenheit von jener der Eltern unterscheidet. Die Ergebnisse sind durchaus interessant: Jeder vierte Befragte gab an, dass die Kinderlosigkeit eine bewusste Entscheidung sei. Über diese hohe Zahl waren die Forscher überrascht – in früheren Studien habe die Rate nur bei zwei bis neun Prozent gelegen.

In puncto Zufriedenheit stellte sich heraus: Es gab keine Unterschiede zwischen jenen, die Kinder hatten, und jenen, die sich bewusst gegen Kinder entscheiden. Demografische Merkmale wie der Bildungsstand und eine Partnerschaft seien eben wichtiger für die Zufriedenheit als eigene Kinder, urteilte das Forscherpaar.

Das liebe Geld

Der deutsche Soziologe Martin Schröder hat diese Faktoren herausgerechnet. Er berücksichtige auch den mangelnden Schlaf oder den Wohnort der Familie in der Stadt oder auf dem Land. Seine Analyse, die er in Buchform veröffentlichte, basiert auf einer Langzeitbefragung von knapp 85.000 Deutschen. Darin kommt auch er zu dem Schluss, dass Eltern nicht nennenswert zufriedener sind als Kinderlose. Anstatt beide Gruppen zu vergleichen, wie es in der US-Studie geschehen ist, untersuchte Schröder, ob ein und dieselbe Person in den Jahren mit Kindern im Haushalt glücklicher ist. Denn es könnte ja auch sein, dass zufriedene Menschen eher Kinder bekommen, so seine Argumentation.

Trotzdem blieb das Ergebnis dasselbe: "Selbst unter denjenigen, die sagen, dass Kinder ihnen im Leben sehr wichtig sind, findet sich kein positiver Effekt", schreibt Schröder. "Das heißt, Kinder machen selbst dann nicht glücklich, wenn man unbedingt welche will." Nach der Geburt steige die Zufriedenheit zwar kurzzeitig, nehme aber wieder ab, sobald ein Kind zwei Jahre alt ist. Das Glück ist also nicht von Dauer. Woran liegt das?

Eine mögliche Erklärung dafür ist für den Soziologen, dass Kinder Geld kosten. "Wer Kinder hat, muss sein Geld unter mehr Haushaltsmitgliedern aufteilen und hat entsprechend weniger für sich. Das macht unzufrieden." Wer trotz Kindern genauso viel Geld zur Verfügung hat wie davor, den würden Kinder durchaus zufriedener machen. Übrigens trifft das auch auf jene Eltern zu, die nicht arbeiten. "Möglicherweise machen Kinder also eher zufrieden, wenn sie keinen Verlust bringen", interpretiert Schröder.

Ebenfalls ein Faktor: Alleinerziehende, die besonders belastet sind, würden den Durchschnitt runterziehen. Außerdem führten Kinderlose ein durchaus angenehmes Leben. Sie seien zufriedener mit ihrer finanziellen Situation, ihrer Ehe, machten weniger Hausarbeit, mehr Sport, gingen mehr aus und könnten mehr für Restaurantbesuche und Unterhaltung ausgeben. Außerdem hätten sie mehr Kontakt zu Freunden und der erweiterten Familie.

Am besten mit Anfang 30

Vielleicht sei es so, dass Eltern "trotz" Kindern glücklich sind, resümierte vor Jahren Sonja Lyubomirsky, eine amerikanische Psychologin, die ebenfalls zum Glücklichsein geforscht hat. Wobei die Lebensumstände elterliches Glück fördern oder hemmen könnten, so Lyubomirsky.

Eine ältere Studie zeigt auf, was diese Umstände sein können. Forscher des Max-Planck-Instituts für demografische Forschung werteten Angaben von mehr als 200.000 Menschen aus 86 verschiedenen Ländern aus – das Magazin "Spektum" berichtet über die Ergebnisse. Sie zeigen, dass die Zufriedenheit einer Familie mitunter davon abhängt, in welchem Land sie lebt. In Spanien oder Italien sind Jungeltern offenbar überdurchschnittlich belastet und unzufrieden. Die Studienautoren machen die schlechteren finanziellen Beihilfen in südeuropäischen Ländern dafür verantwortlich. In Ländern mit großzügiger Unterstützung, wie Dänemark oder Schweden, unterscheide sich das Glücksniveau weniger. Also: Auch diese Untersuchung legt nahe, dass Geld keine unwesentliche Rolle spielen dürfte.

Die Forscherinnen und Forscher beschäftigten sich deshalb auch mit deutschen Eltern nach der Einführung des Elterngelds im Jahr 2007. Wer das davor ausbezahlte "Erziehungsgeld" von mageren 300 Euro erhielt, dessen Zufriedenheit sank – nach einem kurzen Hoch – schnell wieder auf das Niveau von vor der Geburt ab. Wer hingegen das großzügigere Elterngeld erhielt, segelte länger auf einer Glückswelle.

Aber noch weitere Faktoren spielen eine Rolle. So dürften viele Kinder die Zufriedenheit mindern. Laut der Untersuchung des Max-Planck-Instituts sinkt die Zufriedenheit mit jedem Kind, nach dem vierten manchmal sogar sprunghaft. Möglicherweise sinke dann das Vermögen, allen Anforderungen gerecht zu werden, so die Mutmaßung. Die Daten zeigen auch, dass Eltern über 40 zufriedener sind. Vielleicht, weil ihr Nachwuchs dann schon aus dem Gröbsten raus sei.

Der Soziologe Martin Schröder hat mit der Statistik auch ein ideales Alter zum Kinderkriegen ermittelt, nämlich das zwischen 30 und 36. In diesem Alter haben viele eine stabile Beziehung, eine abgeschlossene Ausbildung und einen festen Job.

Glücklicher im Alter

Die letzte spannende Studie, die hier angeführt werden soll, kommt von der Universität Heidelberg. Demnach machen Kinder sehr wohl glücklicher – man muss sich nur gedulden. Die Wissenschafterinnen und Wissenschafter befragten rund 55.000 Menschen über 50 in 16 europäischen Ländern. Interessant ist, dass Eltern, deren Kinder ausgezogen waren, etwas häufiger angaben, mit ihrem Leben zufrieden zu sein. Sie berichteten auch seltener über eine trübe Stimmung als kinderlose Gleichaltrige. Die Erklärung der Autoren erscheint logisch: Während Eltern von kleinen Kindern Stress haben, allen Bedürfnissen gerecht zu werden, dreht sich das Verhältnis im Alter oft um. Dann greifen oft die Kinder ihren Eltern unter die Arme und sind ihr verlässlicher sozialer Kontakt. Die Forscher resümieren: "Die positiven Aspekte der Elternschaft dominieren mit dem Alter." Ein Ergebnis, das jedoch älteren Untersuchungen widerspricht.

Bleibt noch die Frage, wieso sich jeder vierte Erwachsene gegen ein Kind entscheidet. Kennen sie alle die Forschungsergebnisse? Die Psychologen aus Michigan würden sich wünschen, dass kommende Studien Aufschluss zu den Motiven geben – angesichts der großen Zahl kinderloser Erwachsener müsse dieser Gruppe doch mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden.

Erste Hinweise liefern Gespräche im Freundeskreis und Interviews in diversen Zeitungen. Darin sagen Kinderlose zum Beispiel, dass sie ihr Leben unabhängig planen, sich nicht einschränken lassen wollen. Einige sind auch der Meinung, dass sie ein Kind an einer Karriere hindern würde. Aber die Mehrheit meint, schlichtweg keinen Kinderwunsch zu verspüren. (Lisa Breit, 28.6.2021)