Ob im Stadion, vor dem TV-Gerät oder beim kollektiven Mitfiebern bei einem Public Viewing: Fußball wird gerne als die schönste Nebensache der Welt bezeichnet. So ist es wenig verwunderlich, dass auch die Videospielwelt früh begann, den Fußball zu imitieren. Eine kurze Geschichte der Fußballsimulation.

retrocores

Soccer Pong (1977)

Bereits ein Jahr bevor Edi Finger senior mit seinem Cordoba-Sager "Tooor, Tooor, Tooor, Tooor, Tooor, Tooor! I wer’ narrisch! Krankl schießt ein – 3:2 für Österreich!" im Jahr 1978 einen festen Platz in der österreichischen Geschichte erhielt, erblickte das erste Fußballvideospiel das Licht der Welt. Nun gut, es braucht einiges an Fantasie, um Soccer Pong als Fußballspiel zu identifizieren, nicht einmal der Ball ist zu diesem Zeitpunkt rund. Dennoch schafft es die Abwandlung des Klassikers Pong im Jahr 1977, als das erste Fußballvideospiel angesehen zu werden. Unter anderem auf dem Atari 2600 sorgte es mit einfachen Mitteln für Spielspaß. Die zwei Balken in den beiden Spielhälften sollten den Torhüter samt einem Feldspieler darstellen.

Highretrogamelord

Championship Soccer (1980)

Bei Ataris Championship Soccer wurde erstmals der grüne Rasen in die Welt der Videospiele geholt. Zusätzlich existierte erstmals die Wahl eines Schwierigkeitsgrads. Hinzu kam, dass sich die Torgröße und die Spielgeschwindigkeit verändern ließen. Jedoch schaffte es noch keine komplette Startelf auf das virtuelle Spielfeld, lediglich drei Spieler plus ein Tormann stellten ein Team dar. Die Kapazitäten der Rechenleistung ließen noch keine weiteren Mitspieler zu. Im Jahr 1980, in dem wie gerade in der Gegenwart eine Europameisterschaft stattfand, krönte sich die BRD zum König Europas.

Foto: ATARI

Pelé's Soccer (1981)

Knapp ein Jahr später, 1981, wurde erstmals eine Prominenz aus der Fußballwelt zum Titelhelden eines Videospiels erklärt. Pelé prangte vom Cover des Spiels, jedoch hatte der dreifache Weltmeister mit Brasilien seine aktive Karriere bereits im Jahr 1977 beendet. Offenbar war die Strahlkraft auch noch vier Jahre später groß genug, um die prominente Stelle zu besetzen. Das Spiel war eine leichte Abwandlung des zuvor genannten Championship Soccer, eine Nachbildung des Jahrhundertfußballers konnte nicht einmal mit einer außerordentlichen Vorstellungskraft erkannt werden. Dennoch ging das Spiel durch die Entscheidung, einen Fußballer auf das Cover eines Videospiels zu heben, in die Geschichte ein.

MSX Wiki

Konami's Soccer (1985)

Bevor Konami mit Pro Evolution Soccer (PES) zum größten Herausforderer von Fifa wurde, gab es noch andere Titel aus dem japanischen Entwicklerstudio. Konami´s Soccer, entwickelt für den MSX, zeigte fast schon revolutionäre Züge, da es gleich für mehrere Spielkonsolen mit einem Adapter kompatibel war. Doch vor allem werden sich Videospielhistoriker an das Jahr 1985 aus einem anderen Grund erinnern, denn in diesem Jahr ließ Mario von Nintendo die Videospielerherzen höher schlagen.

Foto: US Gold

World Cup Carnival (1986)

Das Spiel mit der ersten offiziellen Lizenz zu einer Fifa-Weltmeisterschaft hieß World Cup Carnival aus dem Hause US Gold. Die Veröffentlichung fand kurz vor der WM in Mexiko statt. US Gold hatte ursprünglich vorgehabt, eine Eigenentwicklung auf den Markt zu bringen. Deren Fertigstellung wurde jedoch so stark verzögert, dass das Spiel zu WM-Start nicht marktreif gewesen wäre. Also entschied man sich, die Rechte von World Cup Football von Artic zu erwerben und passte den Titel inhaltlich an das Turnier an. Die damaligen Rezensionen fanden dies alles andere als gut. Den Pokal sicherte sich damals übrigens Argentinien mit einem 3:2 über die Bundesrepublik Deutschland. Der Aufstieg Diego Maradonas zu einer Fußballlegende wurde mit dem Finalsieg endgültig besiegelt.

Retr0man

Microprose Soccer (1988)

In Microprose Soccer fand erstmals die Vogelperspektive Einzug in den Videospielfußball, gleichzeitig sollten unterschiedliche Wetterbedingungen zusätzlichen Spielspaß generieren. Dafür verzichtete das Spiel auf ein Regelwerk, und Fouls konnten nach Belieben getätigt werden. Jedoch brachte das Spiel auch für das Gameplay Neuerungen. Eine Bananenflanke konnte mit feinmotorischen Fähigkeiten direkt ins Tor gedreht werden. Unter anderem ein Grund dafür, dass Microprose Soccer immer noch in Diskussionen Erwähnung findet. Die Veröffentlichung im Jahr 1988 fiel mit der Europameisterschaft in der BRD zusammen. Die Niederlande konnten den Titel aus dem Nachbarland mit nach Hause nehmen und warten seither auf einen weiteren Nationalmannschaftstitel.

4n7

Kick Off (1989)

Ein Jahr später, also 1989, folgte ein weiterer Klassiker des Videospielfußballs: Kick Off aus dem Haus Anco Software. Zum ersten Mal klebte der Ball nicht am Fuß der Spieler, sondern wurde geführt und konnte dementsprechend leichter verloren werden. Gar Dribblings waren notwendig, wenn der Gegner überspielt werden sollte. Zudem wurden die Spieler mit vier Attributen ausgestattet, sodass nicht jeder virtuelle Fußballer dieselben Finessen besaß. Die Spieleindustrie dankte es den Entwicklern mit einer Reihe von Preisen.

World of Longplays

Nintendo World Cup (1990)

Die Antithese zum Realismus von Anco Software fand Nintendo mit Nintendo World Cup im Jahr 1990. Fouls ignorierte das Spiel gänzlich, es konnte nach Belieben gegrätscht und geschubst werden. Die Spieler konnten sogar mit einem Superschuss den gegnerischen "Goali" aus dem Tor bugsieren. Die Startelf wurde abermals auf fünf Feldspieler und einen Torwart reduziert. Analog zur Veröffentlichung des Spiels gab es in Italien auch eine Weltmeisterschaft zu bestaunen, die Deutschland mit einem 1:0 gegen Argentinien im Finale für sich entscheiden konnte.

Mingos Commodorepage

Sensible Soccer (1992)

Sensible Soccer nahm sich Kick Off als Vorbild und feierte, ebenso wie das Vorbild, Erfolge. Vor allem ließen die Steuerung und die erleichterte Ballführung die Herzen von Fußballfans höherschlagen. Insgesamt gab es die Möglichkeit, aus 64 Klubs und 34 Nationalmannschaften zu wählen. Gleichzeitig war es erstmals möglich, eigene Ligen zu eröffnen. Zusätzlich durften Spieler die Namen anpassen. Das im Jahr 1992 veröffentlichte Spiel gilt als ein Meilenstein der Sportvideospiele. 2007 versuchten die Entwickler einen Neustart auf der Xbox 360, jedoch ohne nennenswerten Erfolg.

Memória BIT

Fifa International Soccer (1993)

1993 betrat dann der gegenwärtige Marktführer EA Games den Markt der Fußballsimulationen. Spielerisch war es noch keine Offenbarung, jedoch verstand EA bereits bei der Premiere, mit lizenzierten Mannschaften und hübscher isometrischer Grafik zu beeindrucken. Der Siegeszug der EA-Fußballabteilung war hier noch nicht zu erahnen. Von Ultimate Team oder einem Karrieremodus mit dem Verein seiner Wahl kann noch keine Rede sein.

Twitch Kaariminho

International Superstar Soccer (1994)

1994 gelang es Konami, die Welt mit International Superstar Soccer in den Bann zu ziehen. Dem Spiel gelang es auch erstmals, den realen Kickern zu ähneln, obwohl Konami gar keine dazu passenden Lizenzen hatte. Außerdem erhielten erstmals in der Geschichte der Fußballsimulationen die Feldspieler eigene Nummern. Das Spiel erschien in den weiteren Jahren für diverse Konsolen und wurde stets verbessert. 1997 folgte sogar eine vollständige Begleitung der Spiele durch einen Kommentator.

FloosWorld

Fifa 98 (1997)

Mit Fifa 98 wurde die Regentschaft von EA beim Thema Fußballsimulationen eingeläutet und zugleich Videospielgeschichte geschrieben. Der Hallenmodus bei Fifa 98 lässt heute noch Spieler von einst in Erinnerungen schwelgen. Gleichzeitig zeigte die Version, dass es EA Sports versteht, die Simulation mit Ohrwurmmusik melodisch zu unterstützen. Song 2 von Blur wird wohl auf ewig mit dem Videospiel in Verbindung stehen. Fifa 98 war auch der Startschuss für den neuen Veröffentlichungsrhythmus bei EA Games: Ab diesem Zeitpunkt sollte zu jedem Nationalmannschaftsgroßevent, sprich EM und WM, immer ein eigenes Spiel auf den Markt kommen. Der Zyklus sollte sich bis ins Jahr 2014 ziehen. Bei Fifa 99 fanden dann erstmals österreichische Teams Einzug: Sturm Graz und der SV Ried waren die ersten Mannschaften aus der heimischen Liga, die auf einer Konsole oder auf dem PC spielbar waren.

mfa rec

Pro Evolution Soccer (2001)

Das Jahr 2001 ist der Beginn einer Rivalität, die auch noch im Jahr 2021 aktuell ist. Konami stellte Pro Evolution Soccer (PES) vor, und das Spiel fand mit seinem dritten Teil im Jahr 2003 eine große Fangemeinde. Zwar konnte das Spiel nicht mit Lizenzen wie Fifa glänzen, jedoch zeigt sich die Serie mit innovativem Gameplay als eine Alternative. Der Konkurrent von EA Games schaffte es im Jahr 2001 erstmals, die Trikots samt Sponsoren abzubilden und den Teams aus der Realität stark zu ähneln. Konami gelang es, für PES die Lizenzen der EM 2020 zu gewinnen. Doch mussten Fans auf das EM-Update bei PES 2021 lange warten. Denn erst als die K.-o.-Phase bei der "realen" EM angefangen hatte, wurde das Update offiziell verfügbar. Dies hatte eine erboste PES-Community zur Folge.

Cyberball

Und wie sieht es in der Gegenwart aus? Dieser Tage gehorchen Fußballvideosimulationen der Frostbite-Engine (Fifa) und der Unreal Engine (PES). Es braucht schon einen genauen Blick, um die Simulation von der Realität zu unterscheiden. Jedoch sind die verkauften Exemplare von den jährlich neu aufgelegten Spielen keinesfalls mehr die Haupteinnahmequellen der Studios. Mit den jeweiligen Modi von Ultimate Team und myClub verdienen die beiden Entwickler mittlerweile Milliarden. Im Vergleich dazu generieren die verkauften Spiele nur einen Bruchteil des Umsatzes. Die EM 2020 feiert am Sonntag, den 11. Juli, ihren Höhepunkt, wenn in der englischen Fußballkathedrale Wembley der Sieger gekürt wird. (Florian Zsifkovics, 6.7.2021)