Die Alba-Trüffel, eine der begehrtesten Delikatessen: In "The Truffle Hunters" erfährt man, dass sie nur ein paar wenige zu finden vermögen.

Sony

Jäger oder Sammler? Die Frage stellt sich den Trüffeljägern nicht, sind die Sammler der edlen Knollen doch beides: sammelnde Jäger, jagende Sammler. Eine ganz eigene Spezies, genau wie die Objekte ihrer Begierde: Weiße Trüffel, auch "trifoli d’Alba Madonna" genannt – die zart duftende Jungfrau unter den Pilzen, die scheu unter der Erde heranreift und zu den teuersten Delikatessen der Welt zählt.

Der Dokumentarfilm Die Trüffeljäger (The Truffle Hunters) der US-Amerikaner Michael Dweck und Gregory Kershaw nimmt sich dieser beiden Spezies an. Von Luca Guadagnino als ausführendem Produzenten prominent unterstützt, begibt sich der Film ins norditalienische Piemont, wo zwischen September und Jänner Trüffelzeit ist.

Schleppend bewegt

Die Berghänge sind nebelverhangen, der Atem kondensiert in der kühlen Morgenluft, schleppend bewegt sich in der ersten Einstellung ein Mann mit seinen Hunden einen Berghang hinauf. Wie beim gotteszornigen Aguirre aus Werner Herzogs Film steht der vertikale Aufstieg für den Beginn einer längeren, allerdings amüsanteren Expedition in eine vorzeitliche Welt.

In dieser abgeschiedenen Welt begegnen wir einigen skurrilen Charakteren: dem schmierigen Händler, der die Trüffeln um einen Bruchteil des Marktwerts ersteht und im Zwielicht weiterverkauft. Dem "Almöhi" mit langem Haar und sturem Kopf, der die Trüffeljagd aufgegeben hat, weil ihm die Gier den Spaß daran verdorben hat.

Frau gesucht

Dem Schlagzeug spielenden Junggebliebenen, der sich um seine Hunde sorgt, welche die im Wald ausgelegten Giftköder fressen. Dem Einsiedler, der seine Hündin Birba langsam an den Gedanken gewöhnt, dass er bald sterben wird; und der eine "wilde Frau" sucht, um ihr Hund und Haus zu vermachen. Und schließlich dem fragilen Greis, der den Fängen seiner besorgten Frau beständig zu entfliehen versucht, weil er es sich nicht nehmen lassen will, nachts nach Trüffeln zu jagen.

Sie alle lieben ihre Hunde, die die eigentlichen Stars des Films sind. Durch eine Go-Pro-Kamera werden wir in ihre Perspektive versetzt und erleben die schwindelerregende Geschwindigkeit, mit der sich der Trüffelhund durch den Wald bewegt: das Schnüffeln, Schütteln, Buddeln.

Demgegenüber sind die Menschen meist in bühnenhaften Totalen aufgenommen, was im Zusammenspiel mit den überzeichneten Charakteren eine komödiantische Wirkung, im Geiste der Commedia dell’Arte, hat.

Italophile Klänge

Italophil wie der Film insgesamt ist auch die Musik von Ed Côrtes. Oper (Puccini und Offenbach), italienischer Chorgesang, eine spielerische, an Nino Rota (der Komponist von Fellini) erinnernde Klarinette. Sie haucht dem wundersamen Film Leben ein. Das wirtschaftliche Leben der Region wird aber bestimmt von der Alba-Trüffel, sie wird drapiert, geputzt, gerochen, verkostet, verkauft.

Bereits unterirdisch ist die Madonna unter den Trüffeln der Dreh- und Angelpunkt der regionalen Industrie, die den porträtierten Jägern jedoch herzlich egal ist, sind sie doch alle Landbesitzer, die keine großen Ansprüche mehr an das Leben haben. Nur die Jagd nach der schönsten Trüffel treibt sie an.

Vermeintliche Idylle

Dennoch sind Trüffeljäger keine weisen alten Männer. Ihre vermeintliche Idylle liegt sturem Einsiedlertum nicht fern, und die Delikatessenindustrie ist nicht erst seit gestern von Gier und Ausbeutung gezeichnet.

Die dem Film gerne zugeschriebene Kapitalismuskritik will also nicht so recht greifen. Trotzdem ist der Film ein Genuss: Das liegt daran, dass die Regisseure sich mehr als visuelle Geschichtenerzähler denn als Dokumentaristen verstehen. Mit den Männern, die nach Trüffeln jagen, ist ihnen ein Fest für alle Sinne gelungen. (Valerie Dirk, 23.6.2021)